ln Atomkernen steckt ungeheure Energie, die durch Kernspaltung freigesetzt werden kann. Kernenergie bringt aber auch Probleme mit sich.
Das schwerste natürliche Element ist Uran. Im Jahr 1938 wollten die Physiker Otto Hahn und Fritz Strassmann auf künstlichem Weg schwerere Kerne erzeugen, so genannte Transurane. Dazu bestrahlten sie Uran mit Neutronen. Zu ihrer Überraschung entstanden dabei neue Elemente mit mittelschweren Kernen. Was war passiert? Hahn's Mitarbeiter Lise Meitner und Otto Frisch lieferten 1939 die richtige Erklärung: Durch den Neutronenbeschuss waren die Urankerne in zwei Teile zerfallen. Die Kernspaltung war entdeckt!
| Es gibt viele Möglichkeiten, welche Tochterkerne beim Zerfall des Urankerns entstehen, unter anderem die „Tschernobyl-Isotope“ Cäsium-137 und Iod-131. |
Trifft ein Neutron zum Beispiel auf U-235, wird der Kern instabil. Er beginnt zu schwingen und zerfällt in zwei mittelschwere Kerne. Schwere Atomkerne besitzen überproportional viele Neutronen, die als zusätzlicher „Kitt“ wirken. Für die leichteren Tochterkerne werden nicht alle Neutronen benötigt. Deshalb werden bei der Kernspaltung auch immer Neutronen frei (F2), die weitere Kerne spalten können. Man spricht von einer Kettenreaktion.
Beim Zerfall der Atomkerne wird Energie frei. Warum? Weil die Nukleonen in den Tochterkernen stärker gebunden sind (F2). Das führt zu einem zusätzlichen Massendefekt und somit zur Freisetzung von Energie. Der „Brennwert“ von Uran ist unglaublich hoch, wenn man ihn etwa mit Erdöl vergleicht. Woran liegt das?
| Die Tochterkerne von Uran sind stärker gebunden (z. B. Rubidium und Cäsium; siehe auch Abb. 47.13). |
Ganz allgemein gilt: Wenn nach einem Ereignis die beteiligten Teilchen (etwa Elektronen, Atome oder Nu-kleonen) stärker gebunden sind, wird Energie frei. Bei chemischen Vorgängen, etwa dem Verbrennen von Öl, spielen die Bindungen zwischen den Atomen eine Rolle. Diese beruhen auf der elektrostatischen Kraft. Bei der Kernspaltung spielt aber die Kernkraft eine Rolle. Diese ist wesentlich stärker und somit ist auch die freiwerdende Energie größer. Der große „Brennwert“ von Uran ist also eine direkte Folge davon, dass die Kernkraft so stark ist.
In obiger (Abb.) ist dargestellt, wie nach jedem Spaltvorgang zwei Neutronen wiederum eine neue Kernspaltung hervorrufen. Diese Kettenreaktion hat also einen Multiplikationsfaktor k von 2. Ist k größer als 1, so kommt es immer zu einer lawinenartigen Reaktion. Solche laufen gewollt in Kernwaffen ab und ungewollt bei Reaktorkatastrophen. Damit ein Reaktor stabil läuft, muss die nutzbare Neutronenzahl vor und nach der Spaltung gleich groß sein (k = 1). Das kann durch geeignete Dimensionierung des Reaktors und durch die Regelstäbe erreicht werden.
| Schematische Darstellung eines Siedewasserreaktors. Er besteht aus drei unabhängigen Wasserkreisläufen. Der Wirkungsgrad wird erhöht, wenn der Wasserdampf nach dem Durchströmen der Turbinen abgekühlt wird. Das Kühlwasser wird dazu einem Fluss entnommen und in den Kühltürmen verdampft, die den Atomkraftwerken ihr charakteristisches Aussehen verleihen (F3, Abb.). |
Es gibt ein gutes Dutzend verschiedener Arten von Kernreaktoren, aber das Prinzip ist in allen Fällen gleich: Kernkraftwerke sind Wärmekraftwerke. Die bei der Kernspaltung frei werdende Energie dient letztlich zur Erzeugung von Wasserdampf, der wiederum Turbinen zur Stromerzeugung antreibt. In obiger Abb. ist exemplarisch ein Siedewasserreaktor dargestellt.
Das Kernstück jedes Reaktors sind die stabförmigen Brennelemente, die quasi als „Treibstoff“ dienen. Als spaltbares Element wird meistens U-235 verwendet. Dieses Isotop kommt in Natururan aber nur zu 0,7% vor. Deshalb wird es auf etwa 3% angereichert, damit der Spaltvorgang effizienter wird.
Die Brennelemente sind in Wasser eingetaucht, das für die austretenden Neutronen als Bremssubstanz (Moderator) wirkt. Denn nur langsame Neutronen führen zu einer Spaltung der U-235-Kerne. Damit die Kettenreaktion kontrolliert werden kann, der Reaktor also hinauf und herunter gefahren werden kann, gibt es die Regelstäbe. Diese bestehen aus einem Neutronen absorbierenden Material, etwa Cadmium. Werden die Regelstäbe zwischen den Brennelementen abgesenkt, wird die Leistung des Reaktors gedrosselt.
Weltweit gibt es auf der Erde über 200 Kernkraftwerke. Auf Grund der dramatischen Klimaerwärmung wurde in den letzten Jahren immer wieder diskutiert, die Kernenergie wegen des in Summe geringeren CO2-Ausstoßes stärker einzusetzen. Dabei darf man aber die Probleme nicht aus den Augen lassen, die die Verwendung von Kernenergie prinzipiell mit sich bringt.
| Die Kernkraftwerke dieser Welt (Stand 2007). |
Zusammenfassung
In Atomkernen steckt ein ungeheures Energiepotenzial. Die Nutzung im Rahmen der Kernenergie ist aber auf Grund der Umweltgefährdung bis heute sehr umstritten.