Untertitel: Rasen betreten verboten
Das Atommodell der kleinen unteilbaren Kugeln von Demokrit hielt von der Antike bis 1897. In diesem Jahr konnte der britische Physiker Joseph J. Thomson im Experiment die Existenz von Elektronen nachweisen. Damit war natürlich das Modell von Demokrit erledigt, denn man hatte nun einen Beleg dafür, dass Atome doch noch weiter teilbar sind. Thomson vermutete, dass Atome aus einer gleichmäßig verteilten positiven Ladung und den negativ geladenen Elektronen bestehen, die sich darin wie Rosinen in einem Kuchen befinden. Deshalb nannte man das Modell auch Rosinenkuchenmodell.
| Wichtige Stationen in der Entwicklung des Atommodells. Du siehst, der Weg von den harten Kugeln bis zum modernen Modell dauerte nur etwa 30 Jahre! |
Etwa 10 Jahre später konnte Ernest Rutherford aber in einem Experiment zeigen, dass auch das Rosinenkuchenmodell nicht stimmen kann. Er stellte nämlich fest, dass die Masse im Atom keineswegs gleichmäßig verteilt, sondern auf einen überaus winzigen positiven Kern konzentriert ist, der nur etwa `10^{-14}` m groß ist. Um diesen Kern kreisen laut Rutherford die Elektronen, so dass der Durchmesser des gesamten Atoms bei rund `10^{-10}`m liegt.
Die von Rutherford gefundene Einteilung des Atoms in Kern und Hülle gilt noch heute. Aber sein Atommodell hatte zwei große Schwachstellen. Die erste waren die um den Kern kreisenden Elektronen. Jede Kreisbahn bedeutet eine beschleunigte Bewegung (F1). Also wären auch die kreisenden Elektronen beschleunigt. Beschleunigte Elektronen senden aber generell elektromagnetische Wellen aus (F2; siehe Kap. 33.1). Daher müsste man bei einem Atom diese Strahlung nachweisen können. In der Realität tritt sie aber nicht auf. Außerdem müssten die Elektronen durch die Abstrahlung pausenlos Energie verlieren und auf einer Spiralbahn in den Kern hineinfallen (F5). Auch das widerspricht der Realität.
Es gab aber noch eine weitere Schwachstelle. In Rutherfords Modell können die Elektronen in beliebigem Abstand um den Kern laufen. Sie könnten daher auch elektromagnetische Wellen beliebiger Frequenz aussenden. Deshalb müsste ein angeregtes Wasserstoffatom in allen Farben leuchten. Tatsächlich sendet es aber nur bei ganz bestimmten Frequenzen sichtbares Licht aus. Und das konnte man mit dem Rutherford'schen Modell nicht erklären.
| Im Atommodell von Bohr „dürfen“ die Elektronen „per Verordnung„ nur auf ganz bestimmten Bahnen um den Kern laufen, quasi „Rasen betreten verboten“. |
Niels Bohr versuchte, das Modell von Rutherford zu retten. Das führte ihn 1913 zu einem neuen Modell, in dem die Elektronen nur auf bestimmten Bahnen um den Kern laufen „dürfen„ und dort nicht strahlen. Bei einem Wechsel der Bahn sollten dann, gemäß der Gleichung `E = h\cdot f` , nur ganz bestimmte Frequenzen abgestrahlt werden können.
Bohr konnte mit diesem Trick zwar das Wasserstoffspektrum erklären, hatte aber keine theoretische Grundlage, um den Elektronen bestimmte Bahnen zu „erlauben“ und den Rest einfach zu „verbieten„. Wir wissen heute, dass Bohr die richtige Lösung zu dieser Zeit noch nicht finden konnte. Denn das Atom kann man nur mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitswellen sinnvoll beschreiben, und die Theorien dazu wurden erst in den 1920ern entwickelt. Der große Verdienst Bohrs ist es auf jeden Fall, das Atommodell als Erster über die Gleichung `E = h\cdot f` mit der Quantenmechanik verbunden zu haben.
| Entwicklung des Atommodells sowie (grau unterlegt) experimentelle Erkenntnisse und Tatsachen, die zu dieser Entwicklung geführt haben. |