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Lokale Inertialsysteme

Wir werden uns hier weitere Gedanken über Inertialsysteme machen und das Äquivalenzprinzip exakter formulieren.

Mit den Inertialsystemen ist das so eine Sache. Meistens wird dabei nämlich ein bisschen geschummelt. Auch wir haben gemogelt. Bezüglich des Inertialsystems gibt es verschiedene Definitionen. Eine davon lautet: In Inertialsystemen gilt der Trägheitssatz (lat. iners = träge): Ist ein Gegenstand in Ruhe, dann bleibt er auch in Ruhe. Ist ein unbeschleunigt rollender Zug ein Inertialsystem? Genau genommen nein!!! Warum?

Nimm an, eine Kugel liegt auf einem Tisch. Wenn die Platte waagrecht und völlig eben ist und der Zug nicht beschleunigt, dann bleibt die Kugel liegen. Wenn du aber eine Kugel neben dem Tisch auslässt, fällt sie beschleunigt zu Boden. Der Trägheitssatz gilt nur in horizontaler Richtung, nicht aber vertikal. Salopp könnte man sagen, dass der unbeschleunigt rollende Waggon ein „zweidimensionales Inertialsystem“ ist. Gibt es Systeme, bei denen der Trägheitssatz in allen drei Dimensionen gilt? Ja, frei fallende bzw. im All schwebende Systeme.


a) Eine Kugel, die am Tisch liegt, bleibt liegen. Eine Kugel, die du auslässt, wird vertikal beschleunigt. Der Trägheitssatz ist in vertikaler Richtung nicht erfüllt,
b) Alle Objekte, die in Ruhe sind, bleiben in Ruhe. Der Trägheitssatz ist in allen Richtungen erfüllt.


Man kann sagen: In einem Gravitationsfeld frei fallende Bezugssysteme sind Inertialsysteme. Allerdings gilt das nur für kleine räumliche Ausdehnungen. Um das zu verstehen, sehen wir uns F10 an. Die beiden Bälle im Raumschiff fallen nicht parallel, sondern genau genommen in Richtung Erdmittelpunkt. Wenn das Labor klein ist, fällt das nicht weiter ins Gewicht. Ist das Labor aber größer (b), dann merkt man, dass die Kugeln mit der Zeit aufeinander zudriften.


a) Die Bälle fallen so gut wie parallel,
b) Die Bahnen der Bälle laufen aufeinander zu. Diese Rakete ist kein Inertialsystem.
c) Man kann das große System wieder durch zwei lokale Inertialsysteme ersetzen.


Im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie gibt es also keine großräumigen Inertialsysteme, sondern nur lokale Inertialsysteme. Man könnte zum Beispiel die beiden Kugeln in zwei kleine Raketen stecken, die jeweils wieder ein Inertialsystem bilden (Abb. 44.11 c).


Die Marken passen nicht exakt aneinander


Die Relation der lokalen Inertialsysteme zueinander wird durch die Zentralmasse bestimmt und kann sehr kompliziert sein. Man kann sich das so vorstellen: Wenn du Marken auf eine gekrümmte Fläche klebst, werden diese an den Rändern niemals genau zusammen passen (F9, vorhergehende Abb.). Je kleiner die Marken, desto besser passen sie. Dasselbe gilt für lokale Inertialsysteme. Je kleiner diese sind, desto besser passen sie an den Rändern zusammen.

Im Rahmen der ART wird die Gravitation ähnlich wie eine Scheinkraft behandelt: Durch Änderung des Bezugssystems kann man sie wegtransformieren, denn in einem frei fallenden System verschwindet sie. Allerdings: Die Zentrifugalkraft lässt sich durch Ändern des Bezugssystems überall gleichzeitig, die Gravitation aber immer nur lokal wegtransformieren. Dieser lokale Charakter unterscheidet die Gravitation von den klassischen Scheinkräften der Mechanik.

Zusammenfassung

Im Rahmen der ART gibt es nur mehr lokale Inertialsysteme. Die Gravitation wird wie eine Scheinkraft behandelt, die durch Änderung des Bezugssystems wegtransformiert werden kann. Man kann sie aber immer nur in lokalen Systemen zum Verschwinden bringen, niemals global.