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Ungleichmäßig beschleunigte Bewegungen

Untertitel: Überschalltropfen

Wir sind dem Prinzip treu geblieben, zuerst mit den Spezialfällen zu beginnen, um das Wesentliche zu verstehen. In diesem Abschnitt kommen wir nun zum häufigsten Fall, nämlich der ungleichmäßigen Beschleunigung. Diese Form der Bewegung ist aber am Schwierigsten zu beschreiben. Deswegen haben wir uns diese Beispiele auch für den Schluss aufgehoben.

Sei froh, dass die Geschwindigkeit eines Tropfens nicht von der Fallhöhe abhängt, denn sonst wäre Regen wirklich lebensgefährlich. Angenommen, ein Tropfen würde tatsächlich gleichmäßig mit $10 m/s^2$ beschleunigen, dann würde er nach etwa 34 s oder knapp 6 km Fallstrecke die Schallmauer durchbrechen (die Schallgeschwindigkeit beträgt etwa 340 m/s). Stell dir mal den Lärm vor! Der zeitliche Verlauf von $v$ und $a$ würde so aussehen wie in folgende Abb. - eben gleichmäßig beschleunigt.

Wir haben der Einfachheit halber bis jetzt den Luftwiderstand vernachlässigt. Dieser verhindert Gott sei Dank, dass wir von Überschalltropfen getroffen werden, denn ab einer gewissen Geschwindigkeit, die von Größe, Form und Masse des Gegenstandes abhängt, kann der Luftwiderstand nicht mehr vernachlässigt werden. Die Beschleunigung bleibt dadurch nicht konstant und sinkt bis auf null ab. Ab diesem Zeitpunkt ist die Geschwindigkeit konstant (siehe folgnede Abb. unten). Der reale Verlauf von $v$ und $a$ bei einem fallenden Gegenstand ist ein Beispiel für eine ungleichmäßig beschleunigte Bewegung.




Verlauf von $v$ und $a$ bei einer gleichmäßigen Beschleunigung (oben) und einer ungleichmäßigen Beschleunigung (unten), wie dem freien Fall unter Berücksichtigung des Luftwiderstandes. Die Beschleunigung wird null, wenn die Luftwiderstandskraft so groß wie die Gewichtskraft geworden ist.

Beim Fallen in Luft treten also zwei Kräfte auf: die Gewichtskraft und die Luftwiderstandskraft. Diese beiden Kräfte sind antiparallel. Jeder Gegenstand wird nur so lange bescheunigt, bis beide Kräfte gleich groß sind. Dann heben sie einander auf und es ist aus mit der Beschleunigung (untere Abb. rechts).




Ein Milchtropfen, der in Milch fällt und wieder weggeschleudert wird. Fliegende Tropfen haben Kugelform (die bei hohen Geschwindigkeiten leicht abgeplattet sein kann).

Wovon hängt aber nun die Endgeschwindigkeit eines Tropfens ab? Von seiner Größe! Warum? Fallende Tropfen sind rund! Dass viele Leute glauben, diese hätten „Tropfenform“, liegt daran, dass sie kurz vor dem Abreißen wirklich tropfenförmig sind. Wenn sie fallen sind sie rund, aber schon zu schnell für das Auge. Daher kommt wohl der Irrglaube. Weil alle Tropfen rund sind, ist auch ihr $c_w$-Wert gleich groß. Deshalb hängt ihre Fallgeschwindigkeit nur von der Tropfengröße ab (F18). Sehr große Tropfen können über 10 m/s erreichen (Abb. 6.37)!




Abschätzung der Fallgeschwindigkeit eines Tropfes auf Grund seiner Größe. Zur Berechnung sieh Infobox Luftwiderstandskraft.

Bei Tieren ist es schwer, Schattenfläche und $c_w$-Wert zu eruieren. Das Prinzip bleibt aber das Gleiche: Je größer und schwerer ein Tier, desto größer wird die Endgeschwindigkeit im freien Fall. Eine Maus erreicht etwa 14 m/s, und zwar schon nach zirka 10 m im freien Fall (F20). Die letzten 990 m nimmt also die Geschwindigkeit gar nicht mehr zu! Für eine Maus ist es somit egal, ob sie aus dem 5., 20. oder 300. Stockwerk fällt. Eine Ratte erreicht etwa 28 m/s (über 100 km/h), und das ist für sie schon lebensgefährlich. Der Mensch erreicht im freien Fall etwa 50 m/s (also 180 km/h), zum Beispiel beim Fallschirmspringen.

Auch der Straßenverkehr ist ein sehr gutes Beispiel für ungleichmäßig beschleunigte Bewegungen: Anfahren, Bremsen, Anfahren, Bremsen. Diese Bewegungen müssen bei manchen Fahrzeugen aus gesetzlichen Gründen durch einen Fahrtenschreiber festgehalten werden.




Vergleich einiger $c_w$-Werte. Ein Tropfen hat Kugelform und daher einen $c_w$-Wert von 0,45.

Bleibt noch die Frage mit der V-Technik beim Skispringen offen (F20). Bei nicht kugelförmigen Objekten tritt nicht nur eine Luftwiderstandskraft gegen die Bewegungsrichtung auf, sondern auch eine Kraft quer dazu. Diese Kraft ist der Auftrieb $F_A$ und ohne sie könnten etwa Flugzeuge nicht vom Boden abheben. Die genaue Berechnung ist recht kompliziert, aber man kann das Prinzip einfach erklären. Die Größe des Auftriebs hängt wie die Luftwiderstandskraft von der Anströmfläche ab (in diesem Fall aber quer zur Bewegungsrichtung). Es liegt auf der Hand, dass diese größer ist, wenn sich die Ski teilweise neben dem Körper befinden.

Im luftleeren Raum würde ein Skispringer wie ein Stein zu Boden fallen. Skispringen am Mond wäre also schmerzhaft! Die Kräfte, die durch die anströmende Luft erzeugt werden, verlängern die Flugbahn. Und zwar umso mehr, je größer die Schattenfläche ist. Deshalb gibt es auch Regeln, wie breit die Ski beim Springen sein dürfen. Und der Unterschied der Anzüge liegt auch auf der Hand (F20): Während sich Abfahrtsläufer mit dem Schuhlöffel in den Anzug zwängen, sehen die der Springer so aus, als wären sie ihnen ein paar Nummern zu groß. Auch das vergrößert die Anströmfläche und verlängert die Luftfahrt.




Die Luftwiderstandskraft Fw und die Auftriebskraft FA, die quer zur Flugrichtung zeigt.

Zusammenfassung

Bei ungleichmäßig beschleunigten Bewegungen verändert sich die Beschleunigung mit der Zeit. Ein Beispiel dafür ist der freie Fall unter realen Bedingungen, bei dem die Beschleunigung durch den wachsenden Luftwiderstand irgendwann einmal auf null absinkt. Auch im Straßenverkehr ist der Großteil der Bewegungen ungleichmäßig beschleunigt.