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Eine andere Auslegung aus den 1950ern, die vor allem in Science-Fiction-Filmen sehr beliebt ist, ist die Viele-Welten-Interpretation. Sie besagt vereinfacht, dass immer dann, wenn ein Ereignis völlig dem Zufall überlassen ist, alle Möglichkeiten auftreten und sich das Universum dabei quasi in Paralleluniversen
| Nach der Viele-Welten-Interpretation. |
Nehmen wir das Würfeln. Alle 6 Augenzahlen sind gleich wahrscheinlich. Wenn du würfelst, dann zeigt nach der Viele-Welten-Interpretation der Würfel nachher tatsächlich alle 6 Seiten - aber in 6 verschiedenen Paralleluniversen. Ähnliches gilt auch, wenn du den Ort des Elektrons in Abb. b bestimmst - nur entstünden bei dieser Messung noch wesentlich mehr Paralleluniversen, weil es auch viel mehr Möglichkeiten gibt.
Das klingt ziemlich verrückt, vor allem wenn du bedenkst, wie viele Myriaden Paralleluniversen es geben müsste - und in jedem sitzt ein Doppelgänger von dir. Auf der anderen Seite muss man aber zugeben, dass es nichts gibt, was gegen diese Interpretation spricht. Dennoch steht die Mehrheit der Physiker der Viele-Welten-Interpretation eher skeptisch gegenüber, weil damit das „Messproblem“ nicht gelöst, sondern nur wegdiskutiert wird.
Es ist interessant, dass sich vier große Physiker, die den Nobelpreis für ihre Entdeckungen im Bereich der Quantenmechanik bekommen haben, in späteren Jahren gegen deren Konsequenzen gestellt haben. Diese vier großen Physiker waren
1) Max Planck, der als erster annahm, dass Energie nur in Portionen aufgenommen und abgegeben werden kann und nach dem das Planck'sche Wirkungsquantum benannt ist.
2) Albert Einstein, der mit Hilfe der Lichtquanten den Fotoeffekt erklären konnte.
3) Louis De Broglie, der die Idee hatte, dass nicht nur Licht, sondern alle Quanten sowohl Wellen- als auch Teilcheneigenschaften aufweisen.
4) Und schließlich Erwin Schrödinger, mit dessen Gleichung man die zeitliche Entwicklung der Wellenfunktion berechnen kann, ohne die wir bis heute das Atom und seine Elektronen nicht verstehen könnten.
Die Tatsache, dass sogar für solche Kapazunder die Quantenmechanik schwer oder gar nicht verdaulich war, sollte eine große Beruhigung für dich sein.
Das Problem an der Kopenhagener Deutung liegt in der Beobachtung. Was ist, wenn du nach einer Stunde nicht in der Box nachschaust? Weiß dann die Katze selbst, ob sie lebendig ist oder tot? Und noch weiter gedacht: Muss uns laufend jemand beobachten, damit wir nicht in einer Überlagerung aus verschiedenen Zuständen leben? Was ist, wenn du würfelst, und keiner beobachtet dich? Liegt der Würfel dann auf allen Seiten, bis dich jemand beobachtet? Und wer beobachtet den, der dich beobachtet? Und so weiter…
| Wo ist die Quantenwelt zu Ende ? |
Überlagerungs-zustände kann man nur im Quantenreich beobachten, weil sie bei alltäglichen Objekten absurd kurz existieren. Allerdings ist die Grenze fließend und nicht abrupt wie in diesem Bild. Mit der Dekohärenz-Deutung, die in den 1980em entwickelt wurde, kann man dieses Dilemma überwinden. Vereinfacht besagt sie, dass sich im Prinzip jedes System in einem Überlagerungszustand befinden kann, also auch die Katze. Jetzt kommt das wichtige Aber: Die Zeit (`t_d`), wie lange dieser Überlagerungszustand bestehen kann, ist indirekt proportional zur Masse des Systems: `t_d ~ 1/m`. Je größer das System wird, desto mehr Wechselwirkungen mit der Umgebung gibt es, die die Wellenfunktion schneller zum Kollaps bringen. Diesen „Selbst-Kollaps“, der nicht durch Beobachtung bzw. eine Messung, sondern durch die immer vorhandene Wechselwirkung mit der Umwelt erfolgt, nennt man Dekohärenz und die Zeitdauer `t_d` bis dahin Dekohärenzzeit.
Ein Atom hat eine typische Masse von `10^{-27}` kg, eine - zugegeben etwas dicke - Katze 10 kg. Die Dekohärenzzeit der Katze ist also um einen Faktor `10^{28}` kürzer als die des Atoms. Es gibt somit zwar lebendtote Katzen, aber ihre Existenz ist so absurd kurz, dass dieser Zustand nicht beobachtet werden kann. Es ist ähnlich, wie bei der Materiewellenlänge eines großen Objekts. Man kann ihm zwar eine zuordnen, aber sie ist so absurd klein, dass man sie nicht messen kann.
Auch nach der Dekohärenz-Deutung wissen wir zwar erst beim Hineinschauen, ob die Katze tot ist oder nicht. Aber sie war schon vor dem Hineinschauen tot oder lebendig. Das ist der große Unterschied zur Kopenhagener Deutung.