Untertitel: Astronaut im freien Fall
In diesem Abschnitt geht es um das Prinzip, wie sich Bewegungen überlagern. Schon Galilei hat vor etwa 400 Jahren damit gearbeitet.
Wenn du ruhig im Regen stehst, dann fallen die Tropfen mit 4 m/s senkrecht herunter (F1; siehe auch Abb. 4.13). Wenn du mit 3 m/s zu laufen beginnst, dann addieren sich die Vektoren von Lauf- und Fallgeschwindigkeit. Die Tropfen kommen dann mit 5 m/s von schräg vorne (folgende Abb. ). Wie schnell ist der Tropfen aber jetzt wirklich? 4 m/s oder 5 m/s? Bedenke: Geschwindigkeiten sind relativ, und deshalb sind auch beide Ansichten richtig (siehe Kap. 6.1). Es ist alles eine Frage des Bezugssystems.
Man kann es so formulieren: Führt ein Gegenstand mehrere Bewegungen gleichzeitig aus, so beeinflussen diese einander nicht. Das nennt man auch das Unabhängigkeitsprinzip der Bewegungen. Mit „mehreren Bewegungen“ ist nicht gemeint, dass der Gegenstand auseinander bricht und in verschiedene Richtungen wegfliegt. Damit ist gemeint, dass man die Geschwin- digkeit als Vektor in ihre Komponenten zerlegen und wieder zusammensetzen kann. Und diese Komponenten werden durch das Addieren nicht beeinflusst.
| Wenn du läufst, addieren sich die Geschwindigkeiten. |
Wie sieht es mit dem Boot aus (F2)? Wenn man genau quer zum Fluss fährt, dann addieren sich die Geschwindigkeiten wie in Abb. 7.3 a. Auf der Flucht würde man diesen Weg wählen, weil er der schnellste ist. Dann ist nämlich die y-Komponente der Bootgeschwindigkeit am größten. Aber das Boot treibt ab. Wenn man am kürzesten Weg hinüber will, dann muss man so schräg gegen die Stromrichtung fahren, dass die Summe der Geschwindigkeiten quer zum Fluss zeigt (b). Das ist zwar langsamer, man kommt aber genau auf der gegenüber liegenden Seite an.
| a ist der schnellste Weg, weil $v_{Boot}$ genau quer zum Fluss zeigt. b ist der kürzeste Weg, und man kommt genau am gegenüberliegenden Ufer an. $v_{gesamt}$ ist aber kleiner und man braucht länger. |
Vom Ufer aus gesehen führt das Boot zwei Bewegungen aus: eine relativ zum Wasser und eine mit dem Wasser. Beide Bewegungen beeinflussen sich gegenseitig nicht, und man kann sie einfach addieren. Das ist eben das Unabhängigkeitsprinzip.
Wenden wir das Prinzip auf F3 an. Auf ausnahmslos jeden Gegenstand wirkt die Schwerkraft und beschleunigt diesen mit rund $10 m/s^2$ in Richtung Boden. Und zwar unabhängig davon, welche Bewegung er zusätzlich noch ausführt. Sogar das Licht fällt durch die Gravitation! Das verblüffende ist also, dass beide Patronen gleichzeitig am Boden ankommen.
Man kann auch noch anders überlegen: Ändere das Bezugssystem und fliege mit der Horizontalgeschwindigkeit der abgeschossenen Patrone. Diese hat dann für dich keine Horizontalgeschwindigkeit, und es sieht so aus, als ob sie einfach senkrecht zu Boden fällt. Und das tut sie natürlich in ganz normalem Tempo.
Zusammenfassung
Führt ein Körper gleichzeitig mehrere Bewegungen aus, so beeinflussen diese einander nicht. Das nennt man das Unabhängigkeitsprinzip der Bewegungen. Wenn man die einzelnen Geschwindigkeitskomponenten addiert, bekommt man die Gesamtgeschwindigkeit.