4.9.6) LINUX-DISTRIBUTIONEN

Wie schon besprochen besteht ein Linux-Betriebssystem aus dem Linux-Kernel und einer großen Anzahl verschiedener Anwenderprogramme. Tatsächlich gibt es ein Projekt, das eine Anleitung bietet, wie man aus den Kernelquellen und selbst selektierten Programmen ein komplettes, maßgeschneidertes Betriebssystem bauen kann. Das Projekt nennt sich „Linux From Scratch“ oder „LFS“ (www.linuxfromscratch.org) und ich kann jedem, der etwas Zeit übrig hat, nur empfehlen, dies selbst einmal zu probieren. Man erhält eine ultrakompaktes, ultraschnelles Betriebssystem und kann sagen, „das ist mein eigenes reinrassiges Linux-System“. Aber was kommt dann?

Man braucht schon einige Zeit bis alle Programme, die so benötigt werden, kompiliert und konfiguriert sind und dann müssen diese auch noch laufend aktualisiert werden. Sicherheitsupdates müssen selbst organisiert und kompiliert werden. Mit all der Administrationsarbeit kommt man zu sonst nichts mehr.

Um das zu vermeiden, gibt es Linux-Distributionen. Diese bieten nicht nur einen fertigen Satz von notwendigen Programmen, sondern auch die regelmäßige Versorgung mit Updates an. Die aus meiner Sicht wichtigsten Distributionen sollen hier aufgeführt werden:

Debian

cdn.neow.in_news_images_uploaded_2016_02_1_debian-logo_story.jpg „Debian“ (www.debian.org) ist eine nicht-kommerzielle Distribution und das „Debian-Projekt“ ist nach der „Debian-Verfassung“ geregelt, die eine demokratische Organisationsstruktur vorsieht. Darüberhinaus ist das Projekt über den „Debian Social Contract“ zu völlig freier Software verpflichtet. Mit einigen 1000 Mitarbeitern ist Debian der Gigant unter den Linux-Systemen.

Da bei Debian eine „stabile Version“ immer eine wirklich stabile Version ist, sind die Entwicklungszeiten relativ lang und böse Zungen behaupten auch, dass die stabile Version schon bei Erscheinen veraltet ist.

Allerdings bietet Debian auch immer schon die zukünftigen Versionen an und so gibt es mehrere Zweige, aus denen man sich bedienen kann:

stable - wirklich stabile Version, die auch für den kommerziellen Serverbetrieb geeignet ist!

testing - die zukünftige stable-Version. Ab einem gewissen Entwicklungsstand wird die Distribution „eingefroren“ (engl. „frozen“) - d.h. es werden keine neueren Versionen von Programmen mehr aufgenommen, sondern nur noch an der Fehlerbeseitigung bei den vorhandenen gearbeitet. Dies entspricht ungefähr dem Zustand, bei dem andere Distributoren ihre „stabilen“ Versionen veröffentlichen. Da ich schon mehrmals eine testing-Version ab dem Anfangsstadium benutzt habe, glaube ich sogar sagen zu können, dass testing nie so instabil ist, wie manche andere Distribution im „ausgereiften“ Zustand. Für den Desktopbetrieb kann ich ein eingefrorenes testing jedenfalls empfehlen.

unstable - ist der erste Anlaufpunkt für neue Versionen von Paketen und Programmen, bevor sie in testing integriert werden. Man installiert sich mit unstable das neueste vom neuen, muss aber wissen, dass das nicht immer stabil ist.

experimental - ist kein vollständiger Zweig, denn es dient nur dazu, Programme und deren Funktionen zu testen, die sonst das ganze System gefährden würden. Es enthält immer nur die gerade getesteten, bzw. die von diesen benötigten Programmpakete.

Diese Zweige haben auch immer Codenamen und sind, einer Vorliebe der frühen Entwickler folgend, immer nach Figuren aus dem Film „Toy Story“ benannt. So heißt im Moment die stable-Version „Jessie“ und „Stretch“ ist testing. unstable ist immer „Sid“, der Junge von nebenan, der die Spielsachen zerstört, aber es lässt sich auch als Abkürzung für „still in development“ (noch in Entwicklung) deuten.

Und wer einen dieser Zweige installiert hat, kann auf eine unüberschaubare Vielzahl an Programmen zurückgreifen, auf Wunsch (und auf eigene Gefahr) auch aus den anderen Zweigen. Für Anfänger ist es wohl nur bedingt zu empfehlen, obwohl sich in den letzten Jahren sehr viel in Sachen Benutzerführung getan hat. Auch steht ein deutschsprachiges Forum (debianforum.de) zur Verfügung, wo man Hilfe bekommt und wo auch dumme Fragen gestellt werden dürfen. Für ambitionierte Linux-EinsteigerInnen, die sich auch mit den Möglichkeiten ihres Betriebssystems auseinandersetzen wollen, könnte es sogar die beste Distribution sein.

Fedora

Das nicht-kommerzielle „Fedora“ (fedoraproject.org) ist der Nachfolger des traditionsreichen, kommerziellen „Red Hat Linux“, welches nicht mehr selbständig weiterentwickelt wird. Statt dessen verkauft die Firma Red Hat, das auf Fedora basierende „Red Hat Enterprise Linux“.

Fedora ist eine sehr innovative Distribution und vor allem in den USA sehr beliebt. Es werden nur völlig unter freier Lizenz stehende Inhalte akzeptiert, weshalb nach der Installation zum Beispiel keine MP3-unterstützenden Programme zu finden sind. Für Anfänger gibt es bessere Distributionen.

Gentoo Linux

photos1.blogger.com_blogger_8131_1973_1600_gentoolin.jpg Das nicht-kommerzielle „Gentoo Linux“ (www.gentoo.de) ist eine quellbasierte Linux-Metadistribution - das heißt, alle Programme, inklusive des Kernels, werden selbst kompiliert. Das klingt sehr anstrengend, ist es aber gar nicht so, da die Distribution geeignete Werkzeuge zur Verfügung stellt, mit denen dies einfachst möglich gelingt. Auch sorgt eine große, sehr aktive „Community“ bei jedem Problem für Rat und Hilfe. Dennoch ist sie für Linux-Neulinge wohl nicht empfehlenswert.

OpenSUSE

„openSUSE“ (www.opensuse.org) ist die zweitbeliebteste Distribution am Heim-PC. Die nicht-kommerzielle Variante der von Novell aufgekauften kommerziellen SUSE-Distribution (heute „SUSE Linux Enterprise“) glänzt mit einem universellen Konfigurationswerkzeug. Sie gilt als anfängerfreundlich. Die neueste Versionsnummer 42.1 bezieht sich übrigens auf die Antwort auf die Frage „nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“ aus Douglas Adam's „Per Anhalter durch die Galaxis“. Schon 1996 hatte die Version 4.2 diesen Bezug.

Slackware

„Slackware“ (www.slackware.com) ist die älteste noch heute existierende Distribution. Sie verzichtet aus Prinzip auf grafische Einrichtungswerkzeuge und ist daher eher nur für fortgeschrittene BenutzerInnen geeignet.

Bisher nicht vorgekommen sind Distributionen, die nur Abwandlungen anderer Distributionen sind und häufig auch deren Quellen benutzen. Vor allem von Debian gibt es unzählige davon. Sie werden als „Derivate“, oder oft auch, etwas abfällig, als „Klone“ bezeichnet. Ein solcher „Debian-Klon“ hat allerdings Geschichte geschrieben:

Ubuntu

Das von der Firma des Gründers gesponserte kostenlose Betriebssystem soll nach dem Willen der Entwickler ein einfach zu installierendes und leicht zu bedienendes Betriebssystem mit aufeinander abgestimmter Software sein. Es bedient sich dazu aus den Quellen von Debian unstable und hat das Ziel, nach der enormen Popularität zu schließen, eindeutig geschafft.

Tatsächlich kann Ubuntu von der Live-CD mit wenigen Mausklicks problemlos auf die Festplatte installiert werden und dann erwartet den Benutzer ein weitgehend komplettes Betriebssystem mit vielen Multimedia-Programmen. Releases erscheinen mit schöner halbjährlicher Regelmäßigkeit und der Upgrade auf diese lässt sich ebenfalls auf Mausklick bewerkstelligen. Alle 2 Jahre gibt es eine „Versionen mit verlägerter Unterstützung“ (Long Term Support oder kurz LTS), die dann deutlich stabiler als die kürzer unterstützten ist. Für EinsteigerInnen ist Ubuntu (www.ubuntu.com) bestens geeignet.

Linux Mint

Diese Distribution war ursprünglich ein Ubuntu-Klon, aber neuerdings ist Linux Mint auch als LMDE - Linux Mint Debian Edition - erhältlich. Den Entwicklern ist es wichtig , die bestmögliche Integration von Programmen zu bieten, die bei Benutzern beliebt, aber eben nicht quelloffene freie Software sind. Die anderen Distribution, inklusive Ubuntu, bieten zwar auch die Installation von „non-free“-Paketen an, aber in einem eigenen Zweig und erst nach der Basisinstallation.

Für absolute Stabilität setzt Linux Mint immer auf LTS (Ubuntu) oder stable (Debian) Versionen auf, aber die integrierten Programme erhalten auch zwischenzeitig Versionsupgrades. Als Vorbild wird die Benutzerfreundlichkeit und Stabilität von Apple's OS X genannt. Auch Linux Mint (www.linuxmint.com) ist für EinsteigerInnen bestens geeignet.

GRAFISCHE OBERFLÄCHEN (GUIs, Desktops)

Anders als bei Microsoft und Apple gibt es bei Linux-Distributionen keinen festgelegten Desktop. Alle Distributionen bieten die Möglichkeit den Desktop zu ändern und zunehmend kann schon bei der Installation der gewünschte Desktop festgelegt werden. Wenngleich für Anfänger im allgemeinen der Standard-Desktop der jeweiligen Distribution sicher eine gute Wahl ist, möchte ich abschließend auch noch kurz einige Desktops vorstellen. Gnome und KDE sind die Platzhirsche auf Linux-Bildschirmen.

Gnome

Gnome (Eigenschreibweise GNOME) [ɡnoʊm][3] ist eine Desktop-Umgebung für Unix- und Unix-ähnliche Systeme mit einer grafischen Benutzeroberfläche und einer Sammlung von Programmen für den täglichen Gebrauch. Gnome wird unter den freien Lizenzen GPL und LGPL veröffentlicht und ist Teil des GNU-Projekts.

Gnome ist unter anderem der Standard-Desktop von Fedora und Ubuntu. Einige Komponenten von Gnome wurden nach Windows und MacOS portiert, etwa Evolution oder GStreamer, werden jedoch teilweise, wie im Falle von Evolution, nicht mehr länger gepflegt.

KDE

KDE ist eine Community, die sich der Entwicklung freier Software verschrieben hat. Eines der bekanntesten Projekte ist die Desktop-Umgebung KDE Plasma 5 (früher K Desktop Environment, abgekürzt KDE).

Unity

Unity ist eine durch das Unternehmen Canonical entwickelte Desktop-Umgebung für Linux-Betriebssysteme, die besonders sparsam mit Bildschirmplatz umgehen soll.

XFCE

Während erstgenannte Desktops mit Features protzen gehen die EntwicklerInnen bei XFCE einen anderen Weg. XFCE möchte einen schlanken, performanten Desktop bieten, der auf „unnötige Spielereien“ verzichtet und auch auf leistungsschwachen und zum Teil für andere Aufgaben (Multimedia) bestimmten Systemen resourcenschonend läuft. Viele heutige Distributionen bieten XFCE als vorkonfigurierte Alternative zum Standarddesktop an.

MATE und Cinnamon

Der umstrittene Upgrade von Gnome2 auf Gnome3 führte zur Geburt von MATE. Dieser Desktop ist eine direkte Fortentwicklung von Gnome2. Cinnamon dagegen ist aus den Quellen von Gnome3 entstanden, aber deutlich performanter als dieser. Was beide gemeinsam haben - sie sind die Standarddesktops von „Linux Mint“ und nur als Ubuntu-Editionen von Linux Mint gibt es auch KDE und XFCE vorkonfiguriert.

Es können auch mehrere Desktops gleichzeitig installiert werden. Bei der Anmeldung kann dann zwischen den Desktops gewechselt werden. So kann jeder seinen Lieblingsdesktop herausfinden.