Untertitel: Zitternde Elektronen
Wie viele Elektronen fließen jährlich durch Österreichs Haushalte (F8)? Gar keine, weil es sich um Wechselstrom handelt. Er hat eine Frequenz von 50 Hz, das macht also 50 Perioden pro Sekunde. Die Elektronen ändern somit 100-mal pro Sekunde die Richtung. Wechselstrom fließt nicht, er zittert, und er hat einige Überraschungen parat.
Fangen wir mit dem einfachsten Fall an, nämlich dem, dass sich im Wechselstromkreis ein Ohm'scher Widerstand befindet, also zürn Beispiel eine Glühlampe. Nach dem Ohm'schen Gesetz sind Spannung und Stromstärke proportional ($U = I\cdot R$ und daher $U ~ I$). Der Verlauf sieht dann also so aus wie in folgender Abbildung.
| Wechselstrom hat eine Frequenz von 50 Hz, durchläuft also eine Periode in 1/50 Sekunde bzw. wechselt jede 1/100 Sekunde die Richtung. |
Die Stromleistung in jedem Augenblick berechnet sich aus Stromstärke mal Spannung und schwankt daher ebenfalls.
| Die Leistung „pulsiert„ 100-mal pro Sekunde. |
100-mal pro Sekunde steigt sie auf einen Spitzenwert und sinkt wieder auf null ab. Deshalb sendet zum Beispiel eine Glühbirne nicht gleichmäßiges Licht aus, sondern sie „flackert“ mit einer Frequenz von 100 Hz. Unsere Augen sind viel zu träge dafür. Man kann aber unter bestimmten Bedingungen ein Lämpchen als Stroboskop verwenden. Beim Plattenspieler etwa werden die Striche auf der Seite angeleuchtet. Wenn die Drehzahl stimmt, scheinen sie still zu stehen, sonst wandern sie nach links oder rechts (F9).
| Grafische Ermittlung der mittleren Leistung. |
Nun ist man aber an der „mittleren„ Leistung interessiert. Wie groß die ist, kann man auf grafischem Weg sehr einsichtig zeigen. Dazu muss man den „Leistungshügel“ der Länge und Höhe nach halbieren. Man kann dann die oberen Teile so neben die unteren legen, dass sich ein Rechteck ergibt. Die mittlere Leistung ist also genau halb so groß wie die maximale. Wenn es also heißt, dass eine Glühbirne 100 W hat, dann gilt das im Schnitt, aber die Leistung schwankt ständig zwischen 0 und 200 W hin und her.
| Leistung des Wechselstroms: $\bar{P} = \frac{U_m \cdot I_m}{2}=\frac{U_m}{\sqrt{2}}\cdot \frac{I_m}{\sqrt{2}} = U_{eff}\cdot I_{eff}$ | |
|---|---|
| Maximal- und Effektivwerte | $U_m=U_{eff}\cdot \sqrt{2}$ und $I_m=I_{eff}\cdot \sqrt{2}$ |
| $P, P_m$ | Leistung, maximale Leistung |
| $U_m, U_{eff}$ | maximale und effektive Spannung |
| $I_m, I_{eff}$ | maximale und effektive Stromstärke |
Es treten bei der Berechnung der Wechselstromleistung zwei neue Größen auf, nämlich effektive Spannung und effektive Stromstärke. Du kennst sie im Prinzip aus dem Alltag, aber nicht unter dieser Bezeichnung. Man sagt etwa, die Spannung in der Steckdose beträgt 230 V. Das ist der Effektivwert. Tatsächlich schwankt sie zwischen rund ±325 V hin und her (F7). Auch bei der Stromstärke gibt man immer Effektivwerte an. Wenn man sagt, dass durch ein Gerät 10 A fließen, dann schwankt die Stromstärke tatsächlich zwischen rund ±14 A hin und her.
| Die mittlere Leistung des Wechselstroms (durchgezogene Linien) entspricht der Leistung eines Gleichstroms mit den Effektivwerten (strichliert). |
Man kann es so formulieren. Eine Wechselspannung von ±325 V ist gleich effektiv wie eine Gleichspannung von 230 V. In beiden Fällen würde eine Birne gleich hell leuchten. Ein Wechselstrom von ±14 A ist gleich effektiv mit 10 A. Deshalb macht man sich das Leben leichter und gibt gleich die Effektivwerte an. Elektrische Messgeräte zeigen normalerweise diese an und nicht Maximal- oder Momentanwerte (Abb. 32.20). Die Maximalwerte sind immer $\sqrt{2}$-mal so groß wie die Effektivwerte (also etwa 1,4-mal).
| Elektrische Messgeräte zeigen meist die Effektivwerte an, hier etwa die Spannung in der Steckdose. |
Wie sieht es nun aus, wenn man Spule oder Kondensator in den Stromkreis bringt? Gehen wir vereinfacht davon aus, dass diese keinerlei Ohm'sche Widerstände verursachen. Bei einer Spule hinkt der Strom immer eine Viertelperiode hinter der Spannung nach. Das liegt an der Selbstinduktion, die den Strom verzögert zum Fließen bringt (Kap. 31.6). Der induktive Widerstand ist proportional zur Frequenz des Wechselstroms und zur Induktivität der Spule (zur Herleitung der Gleichung siehe F19 am Ende des Kapitels).
| Bei einem induktiven Widerstand hinkt der Strom der Spannung nach. Die Leistung, die zum Aufbau des Magnetfeldes nötig ist, bekommt man in der nächsten Phase wieder zurück. |
| Induktiver Widerstand: $R_L = \omega \cdot L$ | |
|---|---|
| $R_L$ | induktiver Widerstand (in $\Omega$) |
| $\omega$ | Kreisfrequenz (in $Hz = 1/s$) ) |
| $L$ | Induktivität der Spule (in $H$) |
Beim Kondensator eilt der Strom der Spannung um eine Viertelperiode voraus (siehe folgende Abb.). Das liegt daran, dass erst mit zunehmender Ladung des Kondensators in diesem eine Spannung aufgebaut werden kann, und dazu ist ein vorheriger Stromfluss notwendig. Der kapazitive Widerstand ist indirekt proportional zur Frequenz des Wechselstroms und zur Kapazität des Kondensators (zur Herleitung der Gleichung siehe F19 am Ende des Kapitels).
| Bei einem kapazitiven Widerstand eilt der Strom der Spannung voraus. Die Leistung, die zum Laden nötig ist, bekommt man beim Entladen wieder zurück. |
| Kapazitiver Widerstand: $R_L = \frac{1}{\omega \cdot C}$ | |
|---|---|
| $R_C$ | kapazitiver Widerstand (in $\Omega$) |
| $\omega$ | Kreisfrequenz (in $Hz = 1/s$) ) |
| $L$ | Kapazität der Spule (in $F$) |
In beiden Fällen (Abb. 32.21 f.) ist die mittlere Leistung null, weil sich die positiven und negativen Flächen aufheben. Man spricht im Zusammenhang mit Spule und Kondensator daher auch von Blindwiderständen und Blindleistung. Würde man einen Riesenkondensator ans Netz hängen, würde das kein Geld kosten, aber trotzdem das Netz in der Ladephase belasten. Deshalb sollte man das auch nicht tun - man hat sowieso nichts davon. Im realen Fall stellen die angeschlossenen Geräte immer eine Mischung von allen drei Widerständen dar.
| Zusammenfassender Überblick von möglichen Verläufen der Leistungskurve, a) Reiner Ohm'scher Widerstand, d) reiner Blindwiderstand, b + c) Mischung. |
Die Wirkleistung, die zur Erzeugung anderen Energieformen genutzt werden kann und die man letztlich über die Stromrechnung bezahlen muss, hängt von der Phasenverschiebung zwischen Spannung und Stromstärke ab (Abb. 32.23). Darunter versteht man, dass deren Nulldurchgang nicht zur selben Zeit erfolgt. Die nicht genutzte Leistung geht beim Aufbau der elektrischen und magnetischen Felder verloren (zur Herleitung der Gleichung siehe F19 am Ende des Kapitels).
| Wirkleistung: $P = U_{eff}\cdot I_{eff}\cdot \cos \varphi$ | |
|---|---|
| $P$ | Wirkleistung bei einer Mischung von ohmschen, kapazitiven und induktiven Widerständen (in $W$) |
| $U_{eff}$ | effektive Spannung (in $V$) ) |
| $I_{eff}$ | effektive Stromstärke (in $A$) ) |
| $\varphi$ | Phasenwinkel zwischen U und I |
| $\cos \varphi$ | Leistungsfaktor |
Zusammenfassung