Untertitel: Wieso die Welle den Weg weiß
Wenn ein Tropfen ins Wasser fällt, dann entstehen rund um die Einschlagstelle konzentrische Kreise (F1). Eine solche Welle nennt man Kreiswelle. Wenn ein Knallkörper in der Luft explodiert, dann breitet sich der Schall kugelförmig aus. Das nennt man eine Kugelwelle. Beide sind so genannte Elementarwellen.
Elementar bedeutet grundlegend. Ein Element ist zum Beispiel ein mit chemischen Methoden nicht mehr zerlegbarer Stoff (F2). Ein Element ist also ein grundlegender Stoff. Eine Elementarwelle ist eine Welle, die nicht mehr weiter zerlegt werden kann. Sie ist eine grundlegende Welle. Genau genommen kommen sie im Alltag nicht vor, denn sie werden durch eine punktförmige Störung verursacht, und weder der Tropfen noch der Knallkörper sind wirklich punktförmig. Aber es geht hier ums Prinzip!
| Simulation der Entstehung einer Elementarwelle an einem Loch. Es spielt dabei keine Rolle, ob die ursprüngliche Welle eine Kreiswelle (links) oder eine ebene Welle ist. |
Der niederländische Physiker Christian Huygens (1629-1695) formulierte um 1680 ein nach ihm benanntes Prinzip, das für alle Arten von Wellen gilt. Das Huygens-Prinzip lautet: Jeder Punkt, der gerade von einer Welle erfasst wird, sendet eine neue Elementarwelle aus. Die Überlagerung all dieser Wellen ergibt die sichtbare Welle.
Welche Belege gibt es für seine Behauptung? Wenn etwa eine Wasserwelle durch ein Loch geht, dann entsteht dahinter eine Kreiswelle, also eine Elementarwelle. Dabei ist es völlig egal, wie die ursprüngliche Welle aussieht (Abb. 16.2). So kann man eine neu entstandene Elementarwelle isolieren. Das ist ein Beleg für den ersten Teil des Prinzips.
Nun entstehen also zu jeder Zeit an jedem Punkt der Wellenfront neue Elementarwellen. Ein Tohuwabohu von unendlich vielen Wellen! Und jetzt kommt die Interferenz ins Spiel. Alle diese Wellen überlagern sich und verstärken oder löschen einander aus. Und dadurch entsteht genau die „simple„ Welle, die du dann siehst. Jede beliebige Welle lässt sich also aus unendlich vielen Elementarwellen zusammensetzen. Beispiele dafür kannst du in folgenden Abb.n sehen.
| Die Wellenfront (türkis) ist immer die Einhüllende aller Elementarwellen (weiß). Es sind exemplarisch nur ein paar Elementarwellen eingezeichnet. |
Das ist der Beleg für den zweiten Teil des Prinzips. Woher weiß eine Welle, in welche Richtung sie muss (F4)? Die Welle hat keine Ahnung! Tatsächlich „probiert“ sie ständig alternative Wege und schickt Elementarwellen aus. Aber die Wellen auf den Irrwegen interferieren in Summe destruktiv, nur auf dem geraden bleiben sie über. Eine Linie, die normal auf die Wellenfront steht, nennt man übrigens allgemein einen Wellenstrahl! Den Begriff Lichtstrahl kennst du aus dem Alltag!
Warum gibt man zuerst etwas dazu (die Elementarwellen), wenn es nachher durch Interferenz sowieso wieder weg ist und die ursprüngliche Welle übrig bleibt? Solange die Welle an kein Hindernis kommt, ist dieses Prinzip auch nicht sonderlich sinnvoll. Zur Erklärung von Phänomenen wie Brechung oder Beugung ist es aber enorm praktisch, wie du im nächsten Abschnitt sehen wirst.
Das zweite Prinzip stammt von einem Zeitgenossen Huygens', dem französischen Mathematiker Pierre De Fermat (1608-1665). Das Fermat-Prinzip lautet: Eine Welle läuft zwischen zwei Punkten auf jenem Weg, für den es am wenigsten Zeit benötigt. Warum macht das eine Welle? Weil sie sich auf allen anderen Wegen durch destruktive Interferenz auslöscht! Hier siehst du den Zusammenhang zwischen den beiden Prinzipien.
Wenn sich das Medium nicht ändert, dann ist der zeitlich kürzeste Weg zwischen zwei Punkten natürlich auch der räumlich kürzeste (siehe vorhergehende Abb. C). Die Wellenfront bewegt sich dann geradlinig. Wenn sich aber das Medium ändert und somit die Geschwindigkeit der Welle, dann ist der zeitlich kürzeste Weg nicht gerade.
| Wenn sich das Medium ändert, dann ändert sich auch die Ausbreitungsgeschwindigkeit und dann knicken die Strahlen. D ist unmöglich, weil es ein zeitlich längerer Weg ist. |
Die Lichtstrahlen in der Abb. kommen alle gleichzeitig an (F5)! Wieso? Nach dem Fermat-Prinzip nimmt jede Welle den zeitlich kürzesten Weg. Wäre also eine der drei Wellen schneller, so müssten alle Strahlen diesen Weg nehmen. Natürlich ist Weg A viel länger als C. Dafür hat aber A den kürzesten Weg durch das bremsende Glas. Und das gleicht sich genau aus.
Würde eine Welle früher oder später ankommen, dann wäre sie phasenverschoben und es käme zur destruktiven Interferenz. Ein Bild kann aber nur durch konstruktive Interferenz entstehen, und deshalb müssen alle Strahlen die gleiche Zeit benötigen. Man kann also sagen: Wenn zwischen zwei Punkten mehrere Wege möglich sind (wie bei der Linse), dann braucht die Welle auf allen diesen Wegen gleich lange!
Zusammenfassung