Im Rahmen der Newton'schen Physik hat die Masse zwei Erscheinungsformen (F2). Da ist einmal der Widerstand jedes Gegenstandes gegenüber Beschleunigungen, der durch die träge Masse verursacht wird. Auf der anderen Seite werden Objekte durch die Gravitation angezogen, die durch die schwere Masse verursacht wird. Für ein und denselben Gegenstand sind träge und schwere Masse immer exakt gleich groß!
Hat ein Körper die doppelte Masse, so wird er einerseits doppelt so stark von der Erde angezogen (schwere Masse $m_S$), er ist aber andererseits auch doppelt so schwer in Bewegung zu setzen (träge Masse $m_T$). Das gleicht sich immer exakt aus. Deshalb fallen unter Vernachlässigung des Luftwiderstandes alle Gegenstände exakt gleich schnell (F1).
| Es ist nicht zu unterscheiden, ob ein Raumschiff fernab aller Himmelskörper beschleunigt (a) oder auf der Erde steht (b). Bei a wirkt die träge Masse, bei b die schwere (F3). |
Seit Galilei und Newton war diese Massengleichheit bekannt. Die Physiker registrierten diesen Umstand zwar, aber sie interpretierten ihn nicht. Erst Einstein setzte fest: Es gibt eine Eigenschaft jedes Objekts, die sich einmal als träge und einmal als schwere Masse zeigt. Anders gesagt: Träge und schwere Masse sind immer gleich groß, weil sie dasselbe und somit ununterscheid-bar sind. Das nennt man das Äquivalenzprinzip. Diese Gleichheit der Massen hat bemerkenswerte Konsequenzen.
So ist es zum Beispiel unmöglich zu unterscheiden, ob eine Rakete im All beschleunigt oder ob sie auf der Erde steht. Lässt man im Inneren der Rakete Gegenstände fallen, so verhalten sie sich in beiden Fällen völlig gleich (F3). Wenn du dich also in einer fensterlosen Rakete befindest, die mit 10 m/s² beschleunigt, könntest du das nicht feststellen.
Umgekehrt sind das Schweben im Weltall (folgende Abb. a) und der freie Fall (b) nicht voneinander zu unterscheiden. Würdest du mit einem Aufzug in die Tiefe stürzen, würdest du dich schwerelos fühlen (F5). Das Wasser würde nicht mehr aus der Flasche rinnen, weil die Schwerkraft scheinbar verschwunden ist (F4). Und auch die Schwerelosigkeit der Astronauten kommt ja nicht dadurch zu Stande, dass die Gravitation weg ist, sondern weil sie sich im freien Fall um die Erde befinden. Dieser Zustand ist auf Grund der Gleichheit der Massen nicht von Schwerelosigkeit zu unterscheiden (F6).
Mit dem Äquivalenzprinzip setzte Einstein träge und schwere Masse gleich. Er sah darin nicht eine Nebensache, sondern eine fundamentale Eigenschaft des Universums. Er leistete damit einen großen Beitrag für ein generelles Prinzip der Physik, nämlich möglichst viele Phänomene unter einem einheitlichen Gesichtspunkt oder in einer einheitlichen Theorie zu vereinigen.
Aber Einstein blieb nicht bei der Mechanik stehen. Er erweiterte die Äquivalenz auf die gesamte Physik und setzte fest, dass jedes beliebige Experiment im Himmelslabor dieselben Resultate liefert wie im Erdlabor. Eine direkte Folge daraus ist, dass auch Licht im Gravitationsfeld abgelenkt werden muss. Diese erweiterte Form des Äquivalenzprinzips, die eine Grundlage der Allgemeine Relativitätstheorie bildet, lautet: Mit keinem wie auch immer gearteten Experiment kann man zwischen Trägheit und Schwere unterscheiden. Die Naturgesetze nehmen in allen Fällen die gleiche Form an.
Zunächst vereinheitlichte Einstein träge und schwere Masse im Äquivalenzprinzip und erweiterte dieses dann auf alle beliebigen Experimente. Schweben im All und freier Fall sowie Beschleunigung durch die Rakete und Beschleunigung durch die Gravitation wurden somit ununterscheidbar.