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Entstehung, Arten und Wirkung der Radioaktivität

Untertitel: Alpha, Beta, Gamma

Aussendung radioaktiver Strahlung

In diesem Abschnitt geht es darum, wieso es überhaupt radioaktive Stoffe gibt. Und du lernst die drei Arten von Radioaktivität kennen.

Welche Strahlen senden radioaktive Stoffe aus? Ernest Rutherford konnte 1902 mit Hilfe eines Magnetfeldes drei Arten von Strahlung unterscheiden. Er nannte sie nach den ersten Buchstaben des griechischen Alphabets `\alpha`-, `\beta`- und `\gamma`-Strahlung. Die radioaktiven Zerfälle, durch die diese Strahlungen entstehen, nennt man daher aus historischen Gründen noch heute `\alpha`-, `\beta`- und `\gamma`-Zerfall. Diese sind sehr unterschiedlich, aber trotzdem haben sie drei Dinge gemeinsam: 1) Ihr Ursprung liegt im Kern. 2) Durch die Strahlung verringert sich dessen potenzielle Energie. 3) Der Zerfall tritt spontan auf, also ohne Einfluss von außen. Nur Kerne, die durch Aussendung von Strahlung in einen niedrigeren Energiezustand übergehen können, sind radioaktiv (F2).

Auftrennung der Strahlung




So kann man Arten der radioaktiven Strahlung erkennen, `\gamma`-Strahlung wird nicht abgelenkt.

Nuklidkarte




Eine Nuklidkarte, also eine grafische Darstellung aller bekannten Atomkerne. Horizontal sind die Isotope eines Elements zu finden (z. B. Blei oder Zinn). `\gamma`-Strahlung führt zu keiner Veränderung der Nukleonen und ist nicht eingezeichnet. In der Mitte des „Bandes„ befindet sich ein stabiles „Tal“ von Elementen.

Die elektrostatische Kraft /*(Kap. 30.3, „Big Bang 7„)*/ reicht unendlich weit. Jedes Proton im Kern wird von allen anderen Protonen abgestoßen. Die starke Wechselwirkung /*(Kap. 45.3)*/ reicht aber nur bis zu den benachbarten Nukleonen. Je größer der Kern, desto größer wird die Abstoßung. Daher müssen Atomkerne mit höherer Ordnungszahl überproportional viele Neutronen besitzen (F3), die als zusätzlicher „Kitt“ wirken. Trotzdem können sie die elektrische Abstoßung nicht vollständig kompensieren. Das macht schwere Kerne instabil.

Strahlungsarten

`\alpha`-Zerfall

Kerne mit einer Ladungszahl größer als 82, also Elemente ab Blei, senden hin und wieder Heliumkerne aus. Man nennt diese auch `\alpha`-Teilchen. Ein schwerer Kern zerfällt also quasi in zwei leichtere Kerne. Die Zerfallsprodukte haben in Summe eine kleinere Masse, die Energie wurde also verringert. Die Bindungsenergie steckt nachher in der kinetischen Energie des `\alpha`-Teilchens. Sein „Entkommen„ aus dem Kern kann man nur quantenmechanisch verstehen.

Abb.




Zerfall von Uran-238 in Thorium-234 und einen Heliumkern (`alpha`-Teilchen). Auf einen solchen Zerfall muss man allerdings sehr lange warten (siehe Tab. 46.2).


Abb.




Verschiebung der Nuklide bei den verschiedenen radioaktiven Zerfällen (siehe auch die folgende Tabelle).



Abb.




Die Arten der radioaktiven Strahlung. In Wasser ist die Reichweite aller Strahlen um den Faktor `10^3` geringer als in Luft, in Blei noch mal um den Faktor 10.

Zusammenfassung

Schwere Kerne sind instabil, weil die elektrische Abstoßung größer ist. Durch das Emittieren eines Heliumkerns bzw. `\alpha`-Teilchens kann der Kern in einen Zustand größerer Stabilität übergehen

`\beta`-Zerfall

Wenn im Kern zu viele Neutronen oder Protonen sind, kommt es zum `beta`-Zerfall. Dabei unterscheidet man zwei Fälle:

Gibt es zu viele Neutronen, wandelt sich ein Neutron in ein Proton um und ein Elektron wird aus dem Kern geschleudert. Das nennt man <tex>\beta{-}</tex>-Zerfall.
Gibt es zu viele Protonen, wandelt sich ein Proton in ein Neutron um und ein Positron wird aus dem Kern geschleudert. Das nennt man <tex>\beta{+}</tex>-Zerfall.
<tex>n \rightarrow p+ + e- + \bar{\nu}_e</tex> <tex>p+ \rightarrow n + e+ +\nu_e</tex>
Abb. Abb.
Schematische Darstellung von <tex>\beta{-}</tex>-Zerfall (a) und <tex>\beta{+}</tex>-Zerfall (b). Die Kernenergie sinkt, weil das zerfallende Nukleon auf ein niedrigeres Niveau springt.

In beiden Fällen hat der Kern nachher weniger Energie, die Nukleonen sind also stärker gebunden. In beiden Fällen entsteht beim Zerfall auch ein Neutrino ve bzw. ein Antineutrino ve. Diese sehr eigenartigen Teilchen wechselwirken praktisch nicht mit Materie. Sie fliegen ungehindert durch alles und spielen im Rahmen der radioaktiven Strahlung keine Rolle. Wir werden sie näher in Kap. 48.2.1 besprechen. Der einfachste ß-Zerfall ist der eines einzelnen Neutrons. Dieses zerfällt nach etwa 15 Minuten von selbst (F4). Warum ist das möglich? Weil das Neutron eine größere Masse hat als Proton und Elektron zusammen. Gibt es einen ß+-Zerfall eines freies Protons? Nein, weil seine Masse kleiner ist als die des Neutrons. Und das ist gut so, weil sonst wären etwa Wasserstoffatome instabil und somit auch Wassermoleküle. Und daraus besteht zum Großteil dein Körper.

Zusammenfassung

Hat ein Kern zu viele Protonen oder Neutronen, ist er instabil, und es kommt es zum Beta-Zerfall. Dabei wandelt sich ein Neutron in ein Proton um oder umgekehrt. Ein Elektron oder Positron wird aus dem Kern geschleudert und dieser wird dadurch stabiler.

`\gamma`-Zerfall

Nach einem `\alpha`- oder `\beta`-Zerfall befinden sich Kerne manchmal noch in einem angeregten Zustand. Das heißt, dass zumindest ein Nukleon nicht das niedrigst-mögliche Niveau besetzt. Wenn es „zurückspringt“, gibt es die überschüssige Energie in Form eines hochenergetischen Photons ab, eines so genannten `\gamma`-Quants. Man kann also salopp von einem „Quantensprung im Kern„ sprechen. Der Begriff `\gamma`-Zerfall ist historisch bedingt aber nicht günstig, weil ja im Gegensatz zu `\alpha`- und `\beta`-Zerfall nichts zerfällt. An der Position in der Nuklidkarte ändert ein `\gamma`-Zerfall nichts.

`\gamma`-Zerfall




Schematische Darstellung eines `\gamma`-Zerfalls. Es handelt sich dabei um einen „Quantensprung im Kern“.
(Anm.: In der Regel treten `\gamma`-Zerfälle nur bei sehr hohen Nukleonenzahlen auf).

Zusammenfassung

Ein `\gamma`-Zerfall ist ein „Quantensprung im Kern„. Ein angeregtes Nukleon springt auf ein niedrigeres Niveau und sendet ein hochenergetisches Photon (`\gamma`-Quant) aus. Ladungs- und Massenzahl bleiben dabei erhalten.




Biologische Wirkung

Jeder weiß, dass radioaktive Strahlung für den Menschen gefährlich ist, aber was verursacht sie eigentlich im Körper (F5)? Ihr Eindringen führt vor allem zur Erzeugung von Ionen, indem etwa Elektronen aus den Atomhüllen abgelöst werden. Deshalb spricht man auch von ionisierender Strahlung. Weiters kommt es zur Spaltung von Molekülen und zur Erzeugung von freien Radikalen. Das sind chemisch sehr aggressive Molekülteile mit ungepaarten Elektronen.

Wirkung verschiedener Strahlungsarten




Vereinfachte Wirkung radioaktiver Strahlung:

`\alpha`-Teilchen dringen nicht tief ein, haben aber eine sehr hohe lonisationsdichte.

`\beta`-Teilchen dringen bei geringerer lonisationsdichte viel tiefer ein. `\beta`-Teilchen zerstrahlen zum Schluss zu 2 Photonen.

`\gamma`-Teilchen erzeugen ein Elektron-Positron-Paar. Diese wirken dann wie `\beta`-Teilchen.

Wird das Zellplasma von radioaktiver Strahlung getroffen, hat das meist keine Folgen. Wird aber die DNS im Zellkern getroffen, kann es zu bleibenden Schäden kommen. Kann sich die Zelle nicht reparieren, stirbt sie oder mutiert gar zu einer Krebszelle. Befinden sich die Zellen gerade in Teilung, so ist eine Reparatur generell nicht möglich. Deshalb sind zellbildende Organe sehr strahlungsempfindlich, etwa Knochenmark oder Lymphknoten. Auch Embryos und Kinder im Wachstum sind deshalb besonders gefährdet.

Wirkung verschiedener Strahlungsarten




Beschädigungen der Desoxyribonukleinsäure (DNS):
a) Bruch der Basengruppen;
b) Einzelstrangbruch;
c) nicht zu reparierender Doppelstrangbruch.

Die Aktivität einer Strahlungsquelle sagt wenig über ihre körperliche Wirkung aus. Das liegt an den unterschiedlich großen Reichweiten und somit auch Eindringtiefen (siehe Tabelle). So fliegt der Großteil der `\gamma`-Teilchen problemlos durch deinen Körper. `\alpha`-Teilchen sind leicht abzuschirmen und von außen keine große Gefahr. Werden sie aber in den Körper aufgenommen, können sie extrem gefährlich sein.

Das aussagekräftigste Maß für die körperliche Schädigung ist die Äquivalentdosis, weil sie auch die Strahlungsart mit einbezieht. Aber auch hier macht es einen Unterschied, ob der ganze Körper oder nur Teile bestrahlt werden und vor allem welche Teile, wie schon oben erwähnt. Du siehst also, dass das Thema biologische Strahlungswirkung sehr komplex ist.

Quellen radioaktiver Strahlung




Die durchschnittliche jährliche Aquivalentdosis der Österreicher beträgt 4,3 Milli-Sievert.

Die durchschnittliche Strahlungsbelastung in Österreich liegt bei etwas über 4 mSv pro Jahr. Etwa die Hälfte ist auf natürliche Strahlung zurückzuführen. Den größten Teil davon macht wiederum das natürlich vorkommende Edelgas Radon aus. Dieses gelangt aus den obersten Bodenschichten in Atmosphäre, Grundwasser und Gebäude. Im Mittel findet sich in der Luft nur ein einziges Radonatom pro 1021 Moleküle. Radon ist damit der seltenste Bestandteil der Luft.

Man schätzt, dass trotzdem rund 15% aller Lungenkrebstodesfälle auf dieses Gas zurückzuführen sind. Gute Belüftung der Räume kann davor in einem gewissen Maß schützen.

Uran-Radium-Reihe




Die Uran-Radium-Reihe: Durch den Zerfall des natürlichen Nuklids U-238 entstehen fortlaufend radioaktive Nuklide, unter anderem auch Radon und das vom Ehepaar Curie entdeckte Polonium und Radium. Am Ende bildet sich das stabile Bleiisotop Pb-206.

Personen, die berufsbedingt ionisierender Strahlung ausgesetzt sind (etwa Ärzte oder Physiker), dürfen vom Gesetz her maximal mit 20 mSv pro Jahr belastet werden. Das kann man zum Beispiel mit Dosimetern überwachen.

Dosimeter




Dosimeter werden meistens auf der Brust getragen und einmal im Monat ausgewertet.

Zusammenfassung

Durch radioaktive Strahlung kann es zu Schäden im Körper kommen, die später zum Beispiel zu Krebserkrankungen führen können. Deshalb gibt es gesetzlich vorgeschriebene Maximalbelastungen.