Lässt man Sonnenlicht durch ein Glasprisma fallen, so tritt auf der anderen Seite ein regenbogenähnlich gefärbtes Lichtband aus. Diese Tatsache war bereits im Altertum bekannt.
Aristoteles vertrat die Auffassung, daß die Farben erst beim Durchgang des Lichtes durch das Prisma entstehen. Er war der Meinung, farbiges Licht bestehe aus Weiß und aus Dunkelheit. Viel weißes Licht und wenig Dunkelheit gibt die hellste Farbe, das Rot. Wenig weißes Licht und viel Dunkelheit dagegen liefert die dunkelste Farbe, das Violett. Daraus folgt, so meinte er, daß beim Durchgang von Licht durch ein Prisma derjenige Lichtstrahl rot wird, der nur wenig Glas durchqueren muß, also nahe an der brechenden Kante durch das Prisma streicht, während derjenige violett wird, der viel Glas passieren muß.
An dieser Ansicht wurde mehr als 1 500 Jahre lang festgehalten. Erst Newton beschloß, diese Auffassung experimentell zu überprüfen. Er kaufte auf einem Jahrmarkt in der Nähe von Cambridge mehrere Glasprismen und kam nach vielen geistreichen Experimenten zu einem anderen Ergebnis. In seinem berühmten, im Jahre 1704 erschienenen Buch »Optics« hat er seine Resultate und Überlegungen niedergelegt. Wir wollen einige Experimente herausgreifen und sehen, was Newton aus ihnen folgert.
Newton schreibt: »In einem dunklen Zimmer legte ich ein Glasprisma vor eine runde, etwa 1/3 Zoll breite Öffnung, die ich in den Fensterladen gemacht hatte. Die brechende Kante dieses Prismas stand senkrecht zu den einfallenden Strahlen. Um diese Kante drehte ich das Prisma langsam in ein und derselben Richtung und sah dabei an der Wand das farbige Sonnenbild auf- und absteigen. Als das Bild zwischen dem Auf- und Absteigen stillzustehen schien, hielt ich an und befestigte das Prisma in dieser Stellung so, daß es sich nicht mehr bewegen konnte. Da aber das Bild, wie das Experiment zeigte, nicht rund, sondern fünfmal so lang als breit war, müssen die nach dem oberen Ende des Bildes fallenden Strahlen stärker gebrochen werden als die, welche zum unteren Ende gelangen. Das Bild war nun farbig, und zwar an dem weniger gebrochenen Ende rot, am stärker gebrochenen Ende violett, dazwischen aber gelb, grün und blau. Es sieht daher so aus, als ob Licht verschiedener Farbe verschieden stark gebrochen wird.«
»Um hierin Klarheit zu bekommen«, so schreibt Newton weiter, »untersuchte ich, was denn die Folge einer zweiten Brechung dieser Art sein würde. Zu diesem Zweck ordnete ich alles so an wie im vorhergehenden Experiment und stellte ein Prisma unmittelbar hinter das erste in einer dazu gekreuzten Stellung, so daß es die aus dem ersten Prisma kommenden Strahlen abermals brechen mußte. Das erste Prisma brach die Lichtstrahlen nach oben, das zweite zur Seite. Alsdann fand ich, daß der obere Teil des Spektrums, der durch das erste Prisma eine stärkere Brechung erlitt und violett und blau war, auch durch das zweite Prisma stärker gebrochen wurde als der untere Teil, der rot und gelb war.« Damit war Newtons Vermutung bestätigt. Licht verschiedener Farbe wird verschieden stark gebrochen. Es fragt sich nun, woher die Farben kommen. Werden sie - wie Aristoteles glaubte - erst während des Durchganges durch das Glas erzeugt, oder sind sie schon von allem Anfang an da und werden durch die Brechung lediglich aufgefächert?
»Um hierin Klarheit zu bekommen«, so schreibt Newton weiter, »untersuchte ich, was denn die Folge einer zweiten Brechung dieser Art sein würde. Zu diesem Zweck ordnete ich alles so an wie im vorhergehenden Experiment und stellte ein Prisma unmittelbar hinter das erste in einer dazu gekreuzten Stellung, so daß es die aus dem ersten Prisma kommenden Strahlen abermals brechen mußte. Das erste Prisma brach die Lichtstrahlen nach oben, das zweite zur Seite. Alsdann fand ich, daß der obere Teil des Spektrums, der durch das erste Prisma eine stärkere Brechung erlitt und violett und blau war, auch durch das zweite Prisma stärker gebrochen wurde als der untere Teil, der rot und gelb war.« Damit war Newtons Vermutung bestätigt. Licht verschiedener Farbe wird verschieden stark gebrochen. Es fragt sich nun, woher die Farben kommen. Werden sie - wie Aristoteles glaubte - erst während des Durchganges durch das Glas erzeugt, oder sind sie schon von allem Anfang an da und werden durch die Brechung lediglich aufgefächert?
Newton schreibt: »Das Spektrum des Sonnenlichtes falle jetzt auf eine große Linse, welche das farbige, vom Prisma her divergierende Licht konvergent macht und in der Nähe des Brennpunktes vereinigt. Dort falle das Licht senkrecht auf ein weißes Papier.
Bewegt man nun dieses Papier vor- und rückwärts, so wird man bemerken, daß näher an der Linse das ganze Spektrum intensiv gefärbt auf dem Papier erscheint, daß aber bei größerer Entfernung von der Linse die Farben einander immer näher kommen und durch Vermischung kontinuierlich undeutlich werden, bis sie schließlich ganz verschwinden und das gesamte Licht auf dem Papier in der Nähe des Brennpunktes als kleiner, weißer Kreis erscheint.
Nachher, wenn das Papier noch weiter von der Linse entfernt wird, werden sich die vorher konvergenten Strahlen kreuzen und von da aus divergieren und die Farben wieder erscheinen lassen, aber in umgekehrter Folge. Das Rot, welches vorher unten war, ist jetzt oben, und das Violett, welches vorher oben war, liegt jetzt unten.«
Die Vermutung stimmt also tatsächlich! Wenn alle farbigen Strahlen gemischt weiß werden, entsteht weißes Licht. Was ergibt sich aber, wenn nur ein Teil der farbigen Strahlen vereinigt wird?
»Jetzt befestige man«, so setzt Newton fort, »das Papier dort, wo das Licht vollkommen weiß und kreisförmig erscheint. Hält man nun eine oder mehrere Farben bei der Linse zurück, so hört das Weiß zu existieren auf und geht in die Farbe über, welche aus der Zusammensetzung der anderen Strahlen entspringt. Läßt man alsdann die aufgefangenen Farben hindurch und auf diese zusammengesetzte Farbe fallen, so mischen sie sich mit ihr und stellen dadurch das Weiß wieder her.
Werden z. B. Violett, Blau und Grün aufgehalten, so geben die übriggebliebenen gelben, orangen und roten Strahlen auf dem Papier eine Art Orange. Läßt man alsdann die aufgefangenen Farben weitergehen, so fallen sie auf dieses zusammengesetzte Orange und geben mit ihm durch doppelte Zusammensetzung Weiß. Werden dagegen Rot und Violett aufgefangen, so liefern die verbleibenden gelben, grünen und blauen Strahlen auf dem Papier ein gewisses Grün. Läßt man nachher das Rot und Violett auf dieses Grün fallen, so entsteht durch doppelte Zusammensetzung wiederum Weiß.«
Zwei Farben, welche einander gegenseitig zu Weiß ergänzen, heißen zueinander komplementär. Es gibt unendlich viele Farbenpaare dieser Art. Da sich eine Mischfarbe von einer Spektralfarbe mit freiem Auge nicht unterscheiden lässt, muss in zwei Komplementärfarben keineswegs das ganze Spektrum enthalten sein. Auch zwei Spektralfarben können zueinander komplementär sein. Wir fassen zusammen:
Spektrum des sichtbaren Lichts
Mischfarben, monochromatisches Licht
Wenn wir im folgenden von farbigem Licht bzw. von weißem Licht sprechen, so meinen wir - falls nichts anderes gesagt wird - stets eine bestimmte Spektralfarbe bzw. weißes Licht, das wie die Sonnenstrahlung aus allen Spekträlfar-ben besteht.