Untertitel: Spukhafte Fernwirkung
Eine sehr absurde Eigenschaft der Quanten bezeichnet man als Verschränkung. Wenn man diese mit einer Überlagerung kombiniert, wird es noch einmal ein wenig absurder.
Eine Besonderheit von Quanten ist, dass sich diese in Überlagerungszuständen befinden können. Vor der Messung ist zum Beispiel ein radioaktives Atom sowohl zerfallen als auch nicht zerfallen oder der Spin eines Elektrons nicht festgelegt und zeigt in alle möglichen Richtungen gleichzeitig. Erst durch die Messung kollabiert die Wellenfunktion, und man findet das Quant in nur einem Zustand (folgende Abb.). Dass der Spin eines Elektrons vor der Messung tatsächlich nicht festgelegt ist, kann man ganz einfach belegen. Wenn man die Magneten senkrecht anordnet (a), dann zeigt der Spin hinauf oder hinunter. Wenn man sie aber waagrecht anordnet (b), dann zeigt der Spin hinein oder hinaus. Erst die Anordnung der Magneten legt die beiden möglichen Richtungen fest! Absurd!
| Den Spin eines Elektrons kann man mit Hilfe eines Magnetfeldes messen. Die Ablenkung erlaubt einen Rückschluss auf die Spinrichtung. Vor der Messung ist der Elektronenspin noch nicht festgelegt. |
Eine weitere Eigenschaft der Quanten ist, dass man sie verschränken kann. Damit meint man, dass bestimmte Eigenschaften von zwei oder mehreren Quanten nicht mehr unabhängig voneinander sind, zum Beispiel ihr Spin oder ihre Polarisation. Wenn man Überlagerungs-zustände und Verschränkung miteinander kombiniert, dann erhält man ein ziemlich paradoxes Ergebnis, das Einstein einmal als „spukhafte Fernwirkung“ bezeichnet hat. Sehen wir uns diesen „Spuk“ näher an.
Einstein ersann gemeinsam mit zwei seiner Studenten 1935 ein Gedankenexperiment, das unter dem Namen Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon (kurz EPR-Para-doxon) bekannt geworden ist. Es ist neben Schrödingers Katze das bekannteste Gedankenexperiment der Quantenmechanik. Wir sehen uns hier eine modifizierte Version an, die Grundidee ist aber dieselbe. Nimm an, ein Teilchen mit Spin 0 zerfällt in zwei Elektronen, die in die Gegenrichtung wegfliegen (folgende Abb. a). Die Spins der Elektronen sind verschränkt. Vor der Messung ist die Spinrichtung aber noch nicht festgelegt (b).
Angenommen, das rechte Elektron fliegt nun durch den Magneten (c). Durch den Messvorgang wird sein Spin festgelegt. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser nach oben zeigt, liegt bei 50% und ist vollkommen dem Zufall unterworfen. Trotzdem ist dadurch sofort und ohne Zeitverzögerung automatisch auch der Spin des linken Teilchens festgelegt - auch dann, wenn sich dieses zum Zeitpunkt der Messung bereits auf der gegenüberliegenden Seite der Milchstraße befinden würde (folgende Abb.). Klar, dass das Einstein gar nicht benagte, denn seine Relativitätstheorie setzt als Höchstgeschwindigkeit im Universum die Lichtgeschwindigkeit fest (F9/*; siehe „Big Bang 8“*/). Und Licht brauchte quer durch die Milchstraße rund 100.000 Jahre!
| Auch quer durch die Galaxis wären zwei verschränkte Elektronen immer noch in Nullzeit miteinander verbunden. |
Einstein vermutete daher, dass der Spin der Teilchen schon vorher festliegen muss und die Quantentheorie daher nicht vollständig ist. Diese geht ja von einem zufälligen Messergebnis aus. Nach allem, was wir heute wissen, war seine Vermutung aber ein Irrtum. Spätere Experimente konnten eindeutig belegen, dass die Quanteneigenschaften tatsächlich erst mit der Messung festgelegt werden, und dass das verschränkte Quant trotzdem sofort den „richtigen“ Zustand einnimmt.
Könntest du zwei Münzen verschränken, dann würde eine immer Kopf zeigen und die andere Zahl, egal wie weit du sie auseinander wirfst. Für Münzen undenkbar, für Quanten kein Problem.
Woher „weiß“ das entfernte Quant, welchen Zustand es einnehmen muss? Das ist nach wie vor ein großes Rätsel. Quantenmathematisch ist es kein Problem, weil verschränkte Teilchen immer mit einer einzigen Wellenfunktion beschrieben werden. Mit dem Festlegen des einen Zustands ist automatisch sofort der andere festgelegt. Deshalb riet Feynman in solchen unverständlichen Situationen auch immer: „Shut up and calculate!“
Die Relativitätstheorie wird durch die EPR-Paradoxie nicht verletzt, weil man die Verschränkung nicht nutzen kann, um Information zu übertragen. Durch eine Messung am entfernten Elektron kann man zwar den Spin herausfinden, man weiß aber nicht, ob dieser Spin Information trägt. Dazu müsste man konventionell, also mit Lichtgeschwindigkeit, in Kenntnis gesetzt werden.