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Massenzunahme

Untertitel: Zeitlupencrash

ln diesem Abschnitt geht es um die verblüffende Tatsache, dass die Masse eines Objekts mit seiner Geschwindigkeit anwächst.

Stell dir mal folgende Situation vor: Eine Untertasse fliegt gegen eine Wand und beschädigt diese (folgende Abb.a). Die Tiefe des Lochs ist ein Maß für die „Wucht„, mit der das Schiff aufprallt. Diese Wucht bezeichnet man in der Physik als Impuls. Der Impuls ist definiert als Masse mal Geschwindigkeit. Je größer Aufprallgeschwindigkeit und/oder Masse, desto größer ist der Impuls (die Wucht) und desto größer wird das Loch.


Aufprall aus Sicht des Inertialsystems der Mauer (a) und wenn sich die (längenkontrahierte) Szene mit v nach rechts an dir vorbei bewegt (b). Im Fall b läuft der Aufprall in Zeitlupe ab.

Würdest du später zurückkommen und zur Wand ruhen, wäre das Loch aber so groß wie im Fall a. Weil die gesamte kinetische Energie umgewandelt wird, liegt hier ein plastischer Stoß vor. Was passiert nun aber, wenn du dich während des Aufpralls parallel zur Wand bewegst (Abb. b)? Die Szene läuft für dich dann auf Grund der Zeitdilatation langsamer ab - ein Zeitlupencrash. Geschichten gehen aber immer gleich aus. Das Loch muss daher auch von diesem System aus gesehen gleich groß sein. Nun steht man aber vor einem Problem. Wie kann es sein, dass trotz der geringeren Geschwindigkeit das Loch in der Wand gleich groß ist? Die Wucht ist doch scheinbar kleiner, und deshalb müsste eigentlich auch das Loch kleiner sein. Welche Möglichkeit gibt es, aus diesem Dilemma herauszukommen? Überlege mal!

Das Problem ist dann zu lösen, wenn man annimmt, dass die Masse der Untertasse größer ist, und zwar um genau denselben Faktor, um den die Geschwindigkeit kleiner ist. Das gleicht sich genau aus, und die Impulse und somit das Loch sind gleich groß. Dieser erstaunliche Massenzuwachs, den wir für einen Spezialfall überlegt haben, gilt allgemein. Bewegt sich e dir, so ist von dir aus gesehen seine Masse größer als n Ruhe. Diesen Effekt nennt man relativistis senzunahme.

Relativistische Massenzuname $m_d = \frac{m}{\sqrt{1-\frac{v^2}{c^2}}}$
$m_d$ … dynamische Masse
$m$ … „Ruhemasse“
$c$ … Lichtgeschwindigkeit [m/s]
$v$ … Relativgeschwindigkeit [m/s]

Nun wird auch klar, warum man eine Rakete nicht auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen kann (F4). Wir betrachten den Vorgang aus Sicht eines auf der Erde zurückbleibenden Beobachters. Mit der Geschwindigkeit der Rakete wächst auch ihre Masse, und dadurch würde bei gleicher Schubkraft die Beschleunigung sinken - man könnte also 10 m/s2 nicht aufrechterhalten. Nun könnte man argumentieren, dass man einfach den Schub erhöhen müsste. Das Problem ist aber, dass bei c die Masse unendlich groß werden würde, und das würde eine unendlich hohe Schubkraft erfordern - unmöglich. Man kann sich c zwar beliebig annähern, es aber niemals erreichen (Abb.).


Beispiel für die Messung der relativistischen Massenzunahme von Teilchen in einem Beschleuniger. Es wurden die Daten von drei Experimenten verwendet. Die Symbole sind die Messwerte, die durchgezogene Linie der theoretische Wert. Bei $v/c = 1$ wäre $m_d/m = \infty$. Die Kurve nähert sich also asymptotisch der strichlierten Linie, kann diese aber niemals erreichen.

Man hat diese relativistische Massenzunahme inzwischen vielfach bestens bestätigt. Ähnlich wie beim Zwillingsparadoxon hat man dazu aber keine Raketen verwendet, sondern Teilchen in Beschleunigern. Die Vorhersage der relativistischen Massenzunahme konnte inzwischen mit einer Genauigkeit von 0,05 % bestätigt werden.

Was soll man sich aber unter der „Massenzunahme„ eigentlich vorstellen? Es kann doch nicht sein, dass Raketen oder Elementarteilchen irgendwie „dicker“ werden (Abb.)!?


Wenn sich Objekte relativ zu dir bewegen, so wächst ihre Masse.
Aber was bedeutet das eigentlich?
Es kann doch nicht so sein wie in dieser Abbildung!?


Natürlich nicht! Masse hat zwei Erscheinungsformen. Einerseits tritt sie als träge Masse auf. Je größer diese ist, desto mehr Kraft braucht man, um ein Objekt zu beschleunigen. Auf der anderen Seite werden massenreichere Objekte durch die Gravitation stärker angezogen. Das nennt man schwere Masse. Für ein Objekt sind träge und schwere Masse exakt gleich groß. In der Speziellen Relativitätstheorie spielt nur die träge Masse eine Rolle. Wenn man sagt, dass bei einem schnell bewegten Objekt die Masse größer ist, dann ist es nicht „dicker„ geworden, sondern schwerer abzustoppen, so wie die Protonen im LHC.

Zusammenfassung

Bewegt sich ein Objekt relativ zu dir, so ist von dir aus gesehen seine Masse größer als in Ruhe. Diesen Effekt nennt man relativistische Massenzunahme. Das bedeutet, dass es zum Beispiel schwerer abzustoppen ist (= größere träge Masse).