Untertitel: Der Herr der Gezeiten
Ebbe und Flut nennt man auch die Gezeiten. Diese Gezeiten haben der Gezeitenkraft ihren Namen gegeben. Um das Prinzip dieser Kraft zu verstehen, sehen wir uns zunächst jene faszinierenden Objekte an, die die größten Gezeitenkräfte im gesamten Universum erzeugen: Schwarze Löcher.
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Stell dir vor, du fällst in ein Schwarzes Loch (obige Abb.). Deine Füße sind näher zu diesem als dein Kopf und werden deshalb stärker angezogen. Je näher du kommst, desto stärker wird dieser Effekt (b). Du wirst dadurch schön langsam in die Länge gezogen. Die Kraft, die das mit dir macht, nennt man Gezeitenkraft. Darunter versteht man ganz allgemein, dass die Gravitationskraft an einem Objekt nicht überall gleich groß ist.
Die Abbildung macht folgendes deutlich: Erstens sind die Gezeitenkräfte umso stärker, je näher man sich bei einer Gravitationsquelle befindet. Weil man sich Schwarzen Löchern am stärksten annähern kann, haben diese daher auch die größten Gezeitenkräfte. Zweitens wirken die Gezeitenkräfte auf große Objekte stärker als auf kleine. Das ist der Grund für die Ringe des Saturns.
Es gibt nämlich einen Abstand, unter dem jeder Körper durch die Gezeitenkräfte zerrissen wird (F24). Bei großen Objekten nennt man diese Grenze nach ihrem Entdecker Roche-Grenze. Die Saturnringe bestehen aus Milliarden von Brocken, die wahrscheinlich die Überreste eines bedauernswerten Mondes sind, der in diese Grenze eingedrungen ist (folgende Abb.). Nur kleine Objekte können innerhalb existieren. Klarerweise befinden sich alle Monde unseres Sonnensystems außerhalb der Roche-Grenze. Für den Erdmond liegt diese bei etwa 12.000 km über der Eroberfläche. Käme er näher, würde er zerbrö-seln und wir könnten einen Erd-Ring bestaunen!
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Auch das Gravitationsfeld des Mondes ist inhomogen und erzeugt Gezeitenkräfte. Weil der Mond aber sehr weit von der Erde weg ist (siehe maßstabsgetreue Abb.) und eine kleine Masse hat, sind seine Gezeitenkräfte sehr gering. Sie liegen auf der Erdoberfläche bei etwa `10^{-7}` g, also bei bloß einem 10-Millionstel der Erdbeschleunigung. Das ist im Alltag praktisch nicht zu bemerken. Obwohl die Gezeitenkräfte des Mondes so gering sind, lösen sie verblüffender Weise zwei riesige Flutberge aus. Aber wieso zwei?
Wenn man sagt, dass der Mond um die Erde kreist, dann ist das nicht ganz exakt (aber im Alltag natürlich vollkommen ausreichend). Mond und Erde kreisen um ihren gemeinsamen Schwerpunkt, das Baryzentrum (F22). Der springende Punkt ist nun der: Nicht nur der Mond, sondern auch die Erde befindet sich ständig im freien Fall. Beide fallen innerhalb eines Monats um das Baryzentrum.
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Die Gravitationskraft, die für die Kreisbahn der Erde verantwortlich ist, ist aber nicht an jedem Punkt der Erde gleich groß. Auf der dem Mond zugewandten Seite ist sie einen Deut größer als am Erdmittelpunkt, auf der dem Mond abgewandten Seite einen Deut kleiner (folgende Abb.) . Warum dadurch zwei Wasserbäuche entstehen, erkennst du am besten, wenn du die durchschnittliche Kraft, die auch auf den festen Erdkörper wirkt (roter Pfeil), abziehst (Abb. b; F23).
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Alles auf der Erde wird durch den freien Fall beschleunigt, aber das Wasser auf der mondnäheren Seite stärker und auf der mondfernen Seite schwächer als der feste Erdkörper selbst. Und dadurch entstehen eben zwei Flugbäuche. Ebbe und Flut sind der Beleg dafür, dass das Gravitationsfeld des Mondes nicht homogen ist. Und sie sind ein Beweis dafür, dass die Erde frei fällt, denn sonst gäbe es nur einen Flutberg auf der mondnäheren Seite.
Zusammenfassung