Untertitel: Eine Schwingung ohne Hakennase
In diesem Abschnitt geht es darum, dass man einzelne Sinusschwingungen zu wirklich komplizierten Schwingungen zusammensetzen, aber auch wieder auseinander nehmen kann. Es geht somit auch um deine Ohren und MP3-Musik.
Sehen wir uns zunächst den Unterschied zwischen Ton, Klang und Geräusch an (F37).
Ein Ton ist eine reine Sinusschwingung. Er besteht also nur aus einer einzigen Frequenz und klingt langweilig und kalt. Im Alltag kommt ein einzelner Ton praktisch nicht vor. Man kann ihn nur elektronisch erzeugen. Alle Instrumente erzeugen nämlich Klänge.
|
|
Ein Klang entsteht durch die Überlagerung von mindestens zwei Schwingungen mit verschiedener Frequenz. In Abb. 14.52 siehst du den Klang einer Trompete (b) und eines Klaviers © aufgeschlüsselt. Welche Klanghöhe du wahrnimmst, hängt von der tiefsten Frequenz ab. Deshalb hörst du den reinen Ton und die beiden Klänge in unserem Beispiel gleich hoch, weil sie dieselbe Grundfrequenz von 440 Hz haben. Übrigens: Es ist etwas verwirrend, aber Musiker sagen zu den Klängen ebenfalls Ton. In diesem Buch nennen wir aber nur reine Sinusschwingungen Töne.
|
|
Jedes Instrument schwingt in vielen verschiedenen Frequenzen. Die tiefste, die sogenannte Grundfrequenz, macht die Klanghöhe aus. Alle anderen Frequenzen nennt man Oberfrequenzen, und diese machen die Klangfarbe aus. Beim Klavier schwingen zum Beispiel viel weniger höhere Frequenzen mit. Wir wissen das intuitiv aus Erfahrung, und du kannst sofort sagen, ob der Klang von der Trompete oder dem Klavier stammt. Besonders gute und damit auch teure Instrumente haben ein Frequenzspektrum, das wir als angenehm und ausdrucksstark empfinden. Das geht aber oft ziemlich ins Geld - eine Stradivari-Geige kostet bis zu 1,5 Millionen Euro!
Ein Geräusch (d) besteht wie der Klang aus einem Frequenzgemisch. Die Auslenkungen sind aber nicht periodisch, wiederholt sich also nicht. Es hat daher keine gleich bleibende Grundfrequenz und auch keine bestimmte Klanghöhe.
Wenn du Musik hörst, die ja aus vielen verschiedenen Schwingungen besteht, dann schwingt der Lautsprecher tatsächlich gleichzeitig mit vielen verschiedenen Frequenzen (F38). Die Lautsprechermembran schwingt dann zum Beispiel so wie in Abb. oben. Wie ist das nun, wenn man elektronisch einen Klang nachmachen möchte, etwa mit einem Synthesizer? Dann muss man eine Schwingung erzeugen, die genauso aussieht wie das Original. Eine der Möglichkeiten ist durch Überlagerung von Schwingungen.
Wiederholen wir kurz: Wenn du zwei Schwingungen gleicher Frequenz überlagerst, entsteht eine Schwingung mit derselben Frequenz. Wenn du zwei Schwingungen mit leicht unterschiedlicher Frequenz überlagerst, dann entsteht eine Schwebung. Was passiert aber, wenn du aber zwei völlig unterschiedliche Schwingungen überlagerst? Dann bekommst du alles Mögliche! Exemplarisch siehst du in der folgenden Abb. einige Möglichkeiten!
|
|
Je mehr Schwingungen du überlagerst, desto komplexer kann auch die Gesamtschwingung werden. Der Clou ist nun der: Praktisch jede Schwingung lässt sich durch die Überlagerung von Sinusschwingungen erzeugen. Dieses Prinzip entdeckte bereits vor fast 200 Jahren der französischen Mathematiker Fourier.
Es gibt dabei nur eine einzige Einschränkung: Zu jedem Zeitwert darf es auch nur einen Wert für die Auslenkung geben. Klar, die Lautsprechermembran kann ja auch nicht zu einer Zeit an zwei Orten sein. Diese Bedingung ist bei allen drei Schwingungen in Abb. 14.51 gegeben (F40) und daher sind diese auch möglich, sogar die absurde „Profil-Schwingung.
|
|
Ein Profil mit Hakennase oder die Trickfigur „La Linea„ sind jedoch nicht durch die Überlagerung von Sinusschwingungen zu erzeugen (folgende Abb.).
|
|
Die Sache mit der Profil-Schwingung ist nur eine Spielerei. Aber sie zeigt die allgemeine Möglichkeit, wie man durch Überlagerung von Schwingungen zu jeder beliebigen Schwingung kommen kann. Manche Synthesizer arbeiten nach diesem Prinzip (F39). Im Alltag spielt die Fourier-Synthese aber keine besonders große Rolle.
Das Gegenteil ist die Fourier-Analyse. Dabei wird ein Klang in seine Einzelschwingungen zerlegt (folgende Abb.). Das geht nicht nur mit Klängen, sondern auch Geräuschen. Und das spielt im Alltag eine unglaublich große Rolle. Du hast nämlich einen Fourier-Analysator in deinem Kopf: deine Ohren und die Schnecken im Innenohr! Dieses System ist in der Lage, den Schwingungsmix, der ständig auf dich trifft, wieder in die einzelnen Frequenzen zu zerlegen.
|
|
Deshalb bist du zum Beispiel in der Lage, die Menschen an ihren Stimmen zu erkennen, denn jede Stimme hat ein einzigartiges Frequenzspektrum. Aber noch mehr: Das Hörsystem ist so fein, dass du auch sofort hörst, ob jemand etwas freundlich sagt, ob er verärgert ist oder traurig. Das Frequenzspektrum ist dann immer ein wenig anders. Ohne Fourier-Analyse im Kopf jedes Menschen käme es sicher zu sehr vielen Missverständnissen im Alltag. Dein Hörsystem ist aber nicht perfekt. Das macht man sich bei MP3s zu Nutze.