Ausgehend von der gravitativen Zeitveränderung kann man einen Analogieschluss auf das Verhalten von Maßstäben im Gravitationsfeld ziehen. In einem um die Erde frei fallenden Labor misst du natürlich immer dieselbe Lichtgeschwindigkeit (F15). Wenn bei Punkt A die Zeit langsamer vergeht als bei B, du trotzdem denselben Wert für die Lichtgeschwindigkeit misst, dann muss dort der Maßstab kürzer sein. Daraus kann man schließen: Maßstäbe in der Nähe einer Masse sind kürzer. Der Faktor der Verkürzung muss genau so groß sein, wie der Faktor der Zeitverzögerung.
| Gravitative Längenveränderung im homogenen Erdschwerefeld: $L_A = L_B \cdot (1\pm \frac{g H}{c^2})$ |
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| $g$ … Erdbeschleunigung 9,81 m/s² |
| $H$ … Hebehöhe |
| $c$ … Lichtgeschwindigkeit |
| $L_A$ und $L_B$ … Längen eines nahen (A) und eines entfernten Maßstabs (B) |
| Gravitative Längenveränderung im inhomogenen Feld einer beliebigen Zentralmasse: $L_A = L_B \cdot (1\pm \frac{G M}{c^2 r})$ |
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| $G$ … Gravitationskonstante ($6,673\cdot 10^{-11}$ Nm²/kg²) |
| $M$ … Zentralmasse |
| $r$ … Radius der Zentralmasse |
| $L_A$ und $L_B$ … Längen eines nahen (A) und eines entfernten Maßstabs (B) |
Wir haben den gravitativen Einfluss auf Längen mit einem Analogieschluss abgeleitet. Die exakte Bere-chung erfordert großen mathematischen Aufwand. Die Vorhersage dieses Effektes ist eines der wichtigsten Ergebnisse der ART. Salopp gesagt muss also ein Maßstab am Berg etwas länger sein als im Tal. Aber wie überprüft man das? Bringst du die Maßstäbe zusammen, verschwindet ja der Unterschied! Um den Effekt der Längenveränderung zu überprüfen, muss man sich etwas anderes einfallen lassen.
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Nimm an, du vermisst Umfang und Durchmesser der Erdbahn (F16). Weil in der Nähe der Sonne die Maßstäbe schrumpfen, ist der Durchmesser größer als erwartet (Abb. a). Weil das Schrumpfen nicht direkt durch das Heranbringen weiterer Maßstäbe messbar ist, kann man aber auch festsetzen, dass diese überall die gleiche Länge haben. Dann muss aber der Raum in der Umgebung der Sonne „gekrümmt„ sein (Abb. b). Auch in diesem Fall ist der Durchmesser größer als erwartet. Das ist das berühmte Konzept der Raumkrümmung in der Allgemeinen Relativitätstheorie. Diese zweite Deutung gibt nicht Aufschluss über das Verhalten von Maßstäben, sondern über die Struktur des Raumes.
Es ist natürlich unmöglich. Umfang und Durchmesser der Erdbahn direkt mit Maßstäben zu messen. Der amerikanische Physiker Irwin Shapiro hatte aber 1965 eine sehr gute Idee, die von der Sonne verursachte Raumkrümmung zu messen. Er ließ einen Radarstrahl an der Venus reflektieren und bestimmte so ihren Abstand (Abb.). Je näher sich die Venus von der Erde aus gesehen bei der Sonne befindet, desto größer muss der zusätzlich zurückgelegte Weg sein (b). Und genau das konnte man im Experiment belegen. Schickt man das Signal haarscharf an der Sonne vorbei, dann ist der Weg durch die Raumkrümmung 36 km länger, als man in einem flachen Raum erwarten könnte. Der Radarstrahl wird dabei auch leicht abgelenkt.
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In der Umgebung einer großen Masse ist der Raum gekrümmt. Es gilt daher die euklidische Geometrie nicht mehr. Das ist eine der wichtigsten Erkenntnisse der Allgemeinen Relativitätstheorie.