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Zerlegung von Vektoren

Untertitel: Gespannter Zwiren

Im letzten Abschnitt haben wir Vektoren addiert bzw. zusammengesetzt. In diesem Abschnitt lernst du, wie man Vektoren wieder in einzelne Komponenten zerlegt. Auch das ist ein unglaublich wichtiges Tool für später, aber schon hier lernst du ein sehr verblüffendes Beispiel dazu kennen. Wir lösen hier alle Probleme grafisch.

In Kapitel 1.2 ist davon die Rede, dass Galileo Galilei zum Überprüfen der Fallgesetze Kugeln über schiefe Ebenen rollen ließ. Dadurch entsteht eine „Fallbewegung in Zeitlupe“. Aber warum? So, wie man einen Summenvektor aus zwei Vektoren zusammensetzen kann, kann man jeden Vektor auch wieder „auseinander nehmen“, also in seine zwei Bestandteile (Komponenten) zerlegen.

Das Gewicht eines Gegenstandes ist die Kraft, mit der er von der Erde angezogen wird (siehe Kap. 8.4.1). Diese Gewichtskraft kann man in zwei Komponenten zerlegen: In eine, die parallel zum Hang zeigt (FH) und in eine, die normal zum Hang zeigt (FN) (Abb. 4.16 a).




Zerlegung des Gewichtsvektors in die Hangabtriebskraft $F_H$ und in die Normalkraft $F_N$. $F_H$ ist immer kleiner als $G$ und daher auch die Beschleunigung der Kugel nicht so groß wie im freien Fall.

Welche Komponente ist für die Beschleunigung der Kugel verantwortlich? Ausschließlich FH! Weil aber FH immer kleiner ist als G, entsteht dadurch die Zeitlupenbewegung, mit der Galilei die Fallgesetze überprüft hat.




Die Hangabtriebkraft $F_H$ wird kleiner, je weniger stark die Ebene geneigt ist.

Wie du in Abb. 4.17 siehst, ist $F_H$ umso kleiner, je flacher die Ebene ist, und wird sogar null, wenn diese horizontal ist. Deshalb beschleunigt auf einem steilen Abhang eine Kugel schneller als auf einem flachen (F11).

Wie stark musst du die Schnur spannen, damit sie völlig waagrecht ist (F12)? Die Antwort ist sehr verblüffend und lautet: Es ist unmöglich, die Schnur völlig waagrecht zu spannen! Warum? Erinnere dich: Wenn alle Kräfte einander aufheben, dann gibt es auch keine Beschleunigung!

Wenn also das Gewicht in Abb. 4.14 in Ruhe ist, dann muss es eine Kraft geben, die gleich groß, aber entgegengesetzt gerichtet ist. Diese Kraft ist in Abb. 4.18 b blau eingezeichnet.

Woher kommt aber diese Kraft nach oben? Vom Zug des Seils. Die Kräfte in einem Seil wirken natürlich nur in Seilrichtung. Deshalb musst du diese „blaue“ Kraft in jene zwei Komponenten zerlegen, die in Seilrichtung zeigen ©. Du siehst, dass du in diesem Fall mit jeweils 10 IM ziehen musst. Aber wieso kann man das Seil nicht völlig spannen?




Da das Gewicht in Ruhe ist, muss die Gewichtskraft (rot) von einer anderen Kraft (blau) kompensiert werden. Du musst diesen Vektor in die Komponenten zerlegen, die in Seilrichtung zeigen. Drei gleich große Kräfte unter 120°, die einander aufheben, hattest du schon bei Abb. 4.11!

In der folgenden Abb. siehst du, dass die benötigte Kraft schnell anwächst, wenn du das Seil noch mehr spannst (b). Willst du es völlig waagrecht spannen, dann müsste die Kraft unendlich groß sein, denn dann wird auch das Kräfteparallelogramm unendlich breit ©. Man kann es anders sagen: Um das Gewicht zu kompensieren, brauchst du Kräfte, die auch eine vertikale Komponente haben (so wie das bei a und b der Fall ist). Wenn das Seil aber völlig gespannt wäre, dann hätten die Kräfte nur horizontale Komponenten. Diese können nur auf die Seite, aber niemals nach oben ziehen.




Resultierende Kraft.

Selbst bei einem Zug von $2,5\cdot 10^5$ N an jedem Ende - und dabei würde auch Superman schon schwitzen, weil das ist das Gewicht eines 25-Tonnen-Sattelschleppers - würde das Seil immer noch 1/100 mm durchhängen. Und weil auch der dünnste Zwirn immer ein Eigengewicht hat, heißt das, dass Superman nicht mal in der Lage ist, selbst den dünnsten Faden vollkommen zu spannen. Ist das nicht erstaunlich?

Zusammenfassung

Größen werden in der Physik durch Skalare oder Vektoren beschrieben. Diese Unterscheidung scheint etwas lästig zu sein, weil man sie vom Alltag her nicht gewohnt ist. Sie ist aber sehr wichtig, wenn man exakt sein will. Skalare sind normale Zahlen, mit denen du wie gewohnt rechnen kannst. Viele physikalische Probleme lassen sich grafisch durch Vektoraddition lösen oder, indem man einen Vektor wieder in seine einzelnen Komponenten zerlegt. Außerdem hast du den Begriff des Bezugssystems kennen gelernt. Es ist immer wichtig zu wissen, was man als Anhaltspunkt für seine Messungen hernimmt.