Die erste beobachtete Kernumwandlung
Zu Beginn des 20.Jh. hielt man die Atome für die kleinsten, unteilbaren und unveränderlichen Bestandteile der Materie. Diese Vorstellung wurde im Jahr 1911 durch Rutherfords Streuexperinient mit `\alpha`-Teilchen an einer Goldfolie widerlegt, das den Aufbau des Atoms aus Kern und Hülle zeigte. Die Teilchen der Hülle, die Elektronen, waren seit 1897 bekannt - aber woraus besteht der Kern? Auch die Atomkerne konnten nicht die fundamentalen Bestandteile der Materie sein: Erstmalig beobachtete Rutherford 1919 eine Kernumwandlung (Kernreaktion), als er `\alpha`-Teilchen auf Stickstoff in einer Nebelkammer schoss. Aus den Spuren in der Nebelkammer schloss er auf die Reaktion
$^4_2He + ^{14}_{\,\,7}N \rightarrow ^{17}_{\,\,8}O + ^1_1H$
Welche Strahlung hat Victor Hess beobachtet?
|
Die kosmische Strahlung aus energiereichen Protonen, Kernen und `\gamma`-Strahlung erzeugt in der oberen Atmosphäre als Sekundärstrahlung zahlreiche Teilchen. Die tieferen Luftschichten schwächen die Strahlung, die zur natürlichen Strahlungsbelastung beiträgt.
Der österreichische Physiker Victor Franz Hess (1883-1964) entdeckte 1912 die kosmische Strahlung. Er stellte bei Ballonflügen fest, dass eine unbekannte ionisierende Strahlung mit der Höhe an Intensität zunimmt. Hess wusste noch nicht, dass energiereiche Protonen, Kerne und elektromagnetische Strahlung (`\gamma`-Quanten) aus dem Weltraum auf die obere Atmosphäre treffen und zahlreiche neutrale und elektrisch geladene Teilchen erzeugen, die großteils in der Atmosphäre absorbiert werden, teils bis auf Meereshöhe gelangen. Ihre Wechselwirkung mit Materie wurde in den folgenden Jahren mit Nebelkammern und Fotoplatten erforscht. Heute wird intensiv nach den Quellen der energiereichsten `gamma`-Quanten der kosmischen Strahlung gesucht, man vermutet sie in den Zentren der frühen Galaxien. Interessante Links: |
Im Jahr 1932 erklärte Werner Heisenberg (1901-1976) den Aufbau der Isotope, indem er die Existenz eines neutralen, bisher unbeobachteten Kernbausteins annahm. Kurz zuvor untersuchte der Engländer James Chadwick (1891-1974) die Umwandlung von Beryllium in Kohlenstoff durch Beschuss mit `\alpha`-Teilchen und fand bei der Reaktion
$^4_2He + ^9_4Be \rightarrow ^{12}_{\,\,6}C + ^1_0n$
ein neutrales Teilchen, das eine Masse wie das Proton hat. Er nannte es Neutron. Damit kannte man drei Elementarteilchen: Proton, Neutron, Elektron.
Systematische Teilchenforschung
Bald fand man in der kosmischen Strahlung weitere rätselhafte Teilchenarten. Die kosmische Strahlung war viele Jahre die einzige Quelle energiereicher Projektile zur Erforschung der Struktur der Materie.
Mit dem Bau von Teilchenbeschleunigern ab 1950 konnte die Struktur von Proton, Neutron und von Atomkernen systematisch erforscht werden. Die Entwicklung der Beschleuniger hat zum gegenwärtig größten Beschleuniger, dem Large Hadron Collider in Genf, geführt. In Experimenten an Beschleunigern konnten mehrere hundert neue „Elementarteilchen“ gefunden werden, so dass sich erneut die Frage nach den Urbausteinen, den wirklich elementaren Teilchen der Materie, stellte. Nach dem gegenwärtigen Wissen sind dies die Quarks, aus denen u.a. Proton und Neutron aufgebaut sind, und die Leptonen (z.B. Elektron).
Die hohen Kosten der Beschleuniger und Nachweisgeräte erfordern internationale Zusammenarbeit. Österreich ist Mitglied des CERN, des europäischen Forschungszentrums für Kernphysik in Genf, wodurch österreichische Forscher und Forscherinnen an dieser Anlage arbeiten können.
Wie lassen sich subatomare Teilchen untersuchen?
Um die Struktur von Elektronen, Protonen, Neutronen und Atomkernen zu untersuchen, schießt man diese Objekte aufeinander.
Dabei kann es zu elastischen Stößen kommen, bei denen die Stoßpartner unverändert bleiben. Viel häufiger sind unelastische Stöße, wobei die Stoßpartner verändert werden und weitere Teilchen erzeugt werden. Aus den beobachteten Endprodukten werden Schlüsse über die Struktur der Objekte und die wirkenden Kräfte gezogen.
Dabei hat sich gezeigt, dass Proton und Neutron zusammengesetzte Teilchen sind und einen Radius von rund `10^(-15)` m haben. Das Elektron hat sich bisher als punktförmig erwiesen, jedenfalls ist es kleiner als `10^(-18)` m.
Um die Stoßpartner auf weniger als `10^(-15)` m einander nahezubringen, müssen sie hohe kinetische Energie besitzen. Dazu dienen Beschleuniger, in denen geladene Teilchen durch elektrische Felder beschleunigt werden. Die Teilchenenergie nimmt proportional zur durchlaufenen elektrischen Spannung zu.
Geladene Teilchen (Elektronen, Protonen, Ionen) werden in einem geraden evakuierten Rohr durch viele hintereinander geschaltete Hochspannungsstrecken beschleunigt. Eine Anlage dieser Art von 3,2km Länge wurde 1966 in Stanford (USA) gebaut. Elektronen wurden auf eine Energie von 20 GeV gebracht und auf ein Target (engl. für „Ziel“) aus flüssigem Wasserstoff bzw. Deuterium geschossen. Wie beim Rutherford'schen Experiment schloss man aus der Winkelverteilung der gestreuten Elektronen, dass Proton und Neutron punktförmige Bestandteile, die Quarks, enthalten.
Linearbeschleuniger schematisch: Aus der Quelle treten geladene Teilchen aus. Sie werden zwischen den zylindrischen Elektroden durch eine hochfrequente Wechselspannung beschleunigt. Die Spannung polt sich im passenden Takt um, so dass die kinetische Energie der Teilchen zunimmt.
Links:
Indem man die Beschleunigungsstrecken in einem Kreis anordnet, können sie vielmals durchlaufen werden. Führungsmagnete halten die Teilchen auf der Kreisbahn. Während der Beschleunigung der Teilchen muss das Magnetfeld anwachsen, damit der Bahnradius gleich bleibt (Synchrotron). Dadurch sind höhere Energien als in Linearbeschleunigern möglich.
Die größte Anlage ist derzeit der Large Hadron Collider (LHC) am Europäischen Forschungszentrum CERN in Genf. In einem Tunnel von 27 km Länge werden in zwei Vakuumrohren gegenläufig Protonen auf maximal 7000 GeV Energie beschleunigt. Die Teilchenstrahlen kreuzen einander in riesigen Detektoren, in denen die Protonen kollidieren und die Reaktionsprodukte registriert werden. Die Anlage ist eine technische Meisterleistung: Das Vakuum in den Strahlrohren ist zehnmal besser als am Mond. Die mehr als 2000 supraleitenden Magnete werden mit flüssigem Helium auf -271 °C gekühlt. Die Protonenstrahlen sind 16 μm dick.
Eine Reihe von Beschleunigern ist für das Füllen des LHC (Large Hadron Collider) mit Protonen notwendig, bis sie schließlich auf 7000 GeV Energie gebracht werden. Seit 2010 kolllidieren im LHC Protonen in vier großen Detektoren und erzeugen neue Teilchen.
Links:
In den Detektoren werden die Bahnen aller geladenen Teilchen registriert, die bei den Zusammenstößen, den Ereignissen, entstellen. Ein starkes Magnetfeld im Inneren des Detektors krümmt die Teilchenbahnen je nach der Ladung und dem Impuls der Teilchen. Tausende elektronische Zähler (ähnlich dem Geiger-Müller-Zähler) registrieren die Teilchenbahnen, woraus die Energien und Impulse der Teilchen berechnet werden. Neutrale Teilchen erzeugen keine Spuren. Die Daten werden zur automatischen Auswertung direkt an Computer übermittelt. Die Entscheidung, ob ein Ereignis aufgezeichnet werden soll, wird automatisch getroffen. Kurzlebige neutrale Teilchen können durch ihre geladenen Zerfallsprodukte erfasst werden.
Der CMS-Detektor am LHC beim Aufbau. Der Detektor ist 15 m hoch/breit, 29 m lang und wiegt 14000 t! Alle 25ns kreuzen sich hier die gegenläufigen Pakete der beschleunigten Teilchen (Protonen, Bleikerne). In den Teilchenkollisionen entstehen jeweils hunderte Teilchen. Das Magnetfeld einer supraleitenden Spule im Detektor krümmt die Spuren geladener Teilchen. Ihre Bahnen werden von Millionen Siliciumdetektoren auf 0,01mm genau erfasst. Eine gewaltige Herausforderung an die Datenverarbeitung ist es, aus den Millionen Kollisionen pro Sekunde jene 100 heraus zu filtern, die weiter analysiert werden sollen.
Die Entwicklung und Wartung der Detektoren, die Programmierung, die Datenauswertung und die Interpretation der Ergebnisse erfolgen arbeitsteilig durch große Arbeitsgruppen, deren Mitglieder in Forschungsinstituten verschiedener Länder einschließlich Österreich beheimatet sind.
Welche Teilchenreaktionen sind möglich?
Wie in der Mechanik gelten in der Teilchenphysik die Erhaltungssätze von Energie, Impuls und Drehimpuls ohne Einschränkung. Eine wesentliche Rolle spielt Einsteins Spezielle Relativitätstheorie und die Äquivalenz von Masse und Energie: Für die Erzeugung eines Teilchens mit der Ruhemasse `m_0` wird der Energiebetrag `E = m*c^2` benotigt. Die elektrische Ladung ist eine Erhaltungsgröße, d.h. die Gesamtladung bleibt bei jeder Reaktion konstant. Einige weitere Erhaltungsgrößen der Teilchenphysik werden im Folgenden besprochen.
Was versteht man unter dem Spin von Teilchen?
Wie die Newton'sche Mechanik beschreibt die Schrödinger'sche Quantenphysik das Verhalten von Teilchen nur bei kleinen Geschwindigkeiten zufriedenstellend. Eine Quantentheorie der Elektronen, die der Speziellen Relativitätstheorie gehorcht, wurde vom Engländer Paul Dirac (1902-1984, Nobelpreis 1933) aufgestellt. Sie hat erstaunliche Konsequenzen:
Teilchen besitzen einen Eigendrehimpuls (Spin), d.h. sie verhalten sich wie Kreisel, bzw. wie kleine Magnete. Der Spin des Elektrons (wie auch von Proton und Neutron) beträgt `h/(4π) = 1,05*10^(-34)` Js )
Was sind Fermionen und Bosonen?
Fermionen
Der Spin (Eigendrehimpuls) der Teilchen ist eines ihrer wichtigsten Merkmale. Teilchen mit Spin `1/2 h/(2π)` (z.B. Elektron, Neutrino, Proton, Neutron, Quark) heißen Fermionen (benannt nach dem italienischen Physiker Enrico Fermi (1901-1954, Nobelpreis 1938).
Für Fermionen gilt das Pauli-Prinzip, wonach sich zwei Teilchen im selben Quantenzustand in mindestens einer Eigenschaft unterscheiden müssen. Das Pauli-Prinzip erklärt die Schalenstruktur der Atomhüllen. Jedes Orbital kann höchstens zwei Elektronen enthalten, deren Spinrichtungen einander entgegengesetzt sind.
Bosonen
Teilchen mit Spin `0, h/(2π), 2 h/(2π)`, … heißen Bosonen und sind nach dem indischen Physiker Satyendranath_Bose (1894-1974) benannt.
Photonen sind Bosonen mit Spin `h/(2π)`.
Für Bosonen gilt das Pauli-Prinzip nicht: Beliebig viele Bosonen können denselben Zustand besetzen. Dadurch wird z.B. die stimulierte Emission beim Laser möglich.
Teilchen und Antiteilchen - was macht den Unterschied?
Zu jeder Teilchensorte gibt es Antiteilchen.
Masse und Lebensdauer von Teilchen und Antiteilchen sind gleich,die elektrischen Ladungen sind entgegengesetzt.