Worum ist es beim „Prozeß Galilei“ gegangen?
Letztendlich um die Frage: Wer hat die Autorität über Wahrheiten zu bestimmen? Galileis eigene Worte dazu: „Ich bin geneigt, zu glauben, die Autorität der Heiligen Schrift habe den Zweck, die Menschen von jenen Wahrheiten zu überzeugen, welche für ihr Seelenheil notwendig sind und die, jede menschliche Urteilskraft völlig übersteigend, durch keine Wissenschaft noch irgendeinanderes Mittel als eben durch Offenbarung der Heiligen Geistes sich Glaubwürdigkeit verschaffen können. Dass aber dieser selbe Gott, der uns mit Sinnen, Verstand und Urteilsvermögen ausgestattet hat, uns deren Anwendung nicht erlauben und uns auf einem anderen Weg jene Kenntnisse beibringen will, die wir doch mittels jener Eigenschaft selbst erlangen können: Das bin ich, scheint mir, nicht verpflichtet zu glauben.“
Und Albert Einstein drückte diese Grundidee Galileis noch einmal aus, als er 1952 das Vorwort zur deutschen Ausgabe von Galileis erstem Hauptwerk 'Dialog über die beiden großen Weltsysteme' schrieb, indem er sagte: „Das Leitmotiv von Galileis Schaffen sehe ich in dem leidenschaftlichen Kampf gegen jeglichen auf Autorität sich stützenden Glauben. Erfahrung und sorgfältige Überlegung allein läßt er als Kriterien der Wahrheit gelten. Wir können uns heute schwer vorstellen, wie unheimlich und revolutionär eine solche Einstellung zu Galileos Zeit erschien, in welcher der bloße Zweifel an der Wahrheit von auf bloße Autorität sich stützenden Meinungen als todeswürdiges Verbrechen betrachtet und bestraft wurde. Wir sind zwar auch heute keineswegs so weit von einer solchen Situation entfernt, als sich viele von uns schmeicheln mögen; aber der Grundsatz, dass das Denken vorurteilsfrei sein soll, hat sich inzwischen wenigstens in der Theorie durchgesetzt, und die meisten sind bereit, diesem Grundsatz Lippendienste zu leisten.“